Künstliche Intelligenz beschäftigt die Gesellschaft. Das ist keine Neuigkeit, sondern zeigt sich in den verschiedensten Bereichen des Alltags. Beispielsweise auch durch die wachsende Zahl von Ausstellungen über und mit KI. Für unserer Mini-Serie KI im Museum besuchen wir Ausstellungen im näheren Umkreis.
Gestartet ist unsere Serie im Kunstmuseum Stuttgart. Dort war vom 04. Februar bis 21. Mai 2023 die Ausstellung "SHIFT. KI und eine zukünftige Gemeinschaft" zu sehen.
Idee, Ziel und Hintergrund der Ausstellung
Die Ausstellung ist ein gemeinsames Projekt des Kunstmuseums Stuttgart und des Museums Marta Herford. Sie widmet sich dem Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Kuratiert wurde die Ausstellung von Friederike Fast, Dr. Eva-Marina Froitzheim und Ann Kristin Kreisel.
Hinter dem Projekt steht die Beobachtung, dass KI als Schlüsseltechnologie des digitalen Wandels maßgeblichen Einfluss auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft hat. Dieser Wandel, diese Verschiebung, soll – wie der Name SHIFT, englisch für Wechsel, Übergang schon zeigt – in der Ausstellung aufgezeigt und hinterfragt werden. Neben den Einflüssen auf unseren Alltag wirft KI auch immer die Frage nach den zugrundeliegenden Menschenbildern und damit verschränkten Begriffen wie Intelligenz, Bewusstsein und Kreativität auf.
Die Exponate stellen die Verzahnung von KI und Lebensrealität, die Möglichkeiten, Grenzen und ethischen Verantwortlichkeiten, die sich daraus ergeben in den Mittelpunkt. Sie eröffnen den Besucher:innen so einen perspektivischen Raum, in dem diese Fragen erfahren und durchdacht werden können.
Begleitet wurde die Ausstellung von einem umfangreichen Vermittlungsprogramm mit Symposien, Führungen und Vorträgen. Es wurde in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Zentrum für Simulationstechnik und dem Cyber Valley Stuttgart/Tübingen entwickelt.
Aufbau
Die Ausstellung setzt sich aus den einzelnen Werken von acht Künstler:innen und Künstler:innenkollektive zusammen, welche jeweils eigene Szenarien entwickelt haben, in denen KI sichtbar und sinnlich erfahrbar wird. Angesiedelt sind die einzelnen Exponate in verschiedenen Räumen, die sich über zwei Stockwerke des Kunstmuseums Stuttgart erstrecken.
Die Anordnung der einzelnen Werke erfolgt nach keinem wahrnehmbaren Erzählstrang oder Ordnungsprinzip, vielmehr verdeutlicht sie den Grundgedanken der Ausstellung, einzelne Aspekte des durch KI voranschreitenden Wandels in der Gesellschaft erfahrbar zu machen und zur kritischen Auseinandersetzung anzuregen.
Die Perspektive auf KI
Besucher:innen erleben die Dimensionen von KI durch die Modellsituationen, welche die acht Künstler:innen und Kollektive in ihren Werken erschaffen. Jede einzelne Modellsituation fragt nach den Grenzen und Möglichkeiten von KI und nach der ethischen Verantwortung, die der Umgang damit bringt. Die Werke fokussieren sich jeweils auf bestimmte Aspekte und Anwendungen von KI. Darunter Deepfakes, Large Language Models, Datenströme und weitere Varianten von Maschinellem Lernen.
Die Werksgruppe "Repräsentantinnen (2021)" von Louisa Clement fragt beispielsweise nach den Auswirkungen und Grenzen von Mensch-Maschine-Relationen. Dafür hat die Künstlerin Sexpuppen ihr Aussehen und ihre Stimme verliehen, sie mit persönlichen Daten, Chatverläufen und Antworten auf intime Fragen gefüttert. Mit einer dieser Puppen können die Besucher:innen interagieren. Durch die Gespräche lernt die Figur und erweitert ihre sprachlichen Fähigkeiten.
Das Künstlerduo kennedy+swan nimmt in ihrem Animationsfilm "in vivo – in vitro – in silico (2023)" einen vollkommen anderen Aspekt von KI in das Blickfeld. Die mögliche Verschränkung von KI mit biologischer Intelligenz in der Form von Xenobots, welche aus den Zellen von Krallenfröschen gewonnen werden. Ihr Film zeigt ein dystopisches Zukunftsbild in der diese Xenobots im Jahr 2043 als "buddy bots" durch einen menschlichen Körper wuseln und von innen heraus Aufgaben, wie Entgiftung etc. übernehmen, welche von außen mittels App gesteuert werde. Eine Anwendung, die massive gesundheitliche Vorteile bieten soll, jedoch nur reichen Menschen zugänglich wäre.
Diese beiden Beispiele veranschaulichen, was die gesamte Ausstellung kennzeichnet: einen sehr starken Fokus auf den Menschen und ein immer wieder stattfindendes Anthropomorphisieren von KI. Zu den wirklichen Hintergründen und tatsächlichen Eigenschaften von KI wird wenig bis gar nicht vorgedrungen. Vielmehr scheinen die Künstler:innen in ihren Werken Aspekte und Anwendungen des KI-Diskurses aufzugreifen, die mit starken Ängsten und negativen Vorstellungen für den Menschen verbunden sind. Diese Aspekte sind wichtiger Teil des Diskurses um KI, könnten jedoch durch Erläuterung der technischen Realität besser eingeordnet und damit auch adäquater diskutiert werden. Diese Gelegenheit verpassen die Exponate jedoch scheinbar immer wieder.
Wissenschaftskommunikative Sichtweise
Die grundsätzliche Idee der Ausstellung, den durch KI stattfindenden Wandel in der Gesellschaft auf unterschiedlichsten Ebenen zu besprechen und Erfahrungsräume zu eröffnen, birgt aus wissenschaftskommunikativer Perspektive große Möglichkeiten. Andere Vermittlungsformen, wie etwa auch Kunst können dazu beitragen, die eigene Auseinandersetzung von Besucher:innen mit den Themen zu fördern und ihnen so Eintritt in den Diskurs zu KI zu ermöglichen. Zudem erhalten auch Personenkreise, die sich sonst weniger mit Technologien beschäftigen Zugang zu diesem Themenfeld.
Dafür ist es jedoch notwendig, Grundbegriffe dieses Diskurses zu erläutern, sowie Hintergründe und aktuelle Ergebnisse der Forschung zur KI verständlich darzulegen. Dieser Aspekt wird in der Ausstellung SHIFT jedoch vernachlässigt. Zwar gibt es ein Glossar zu einzelnen Grundbegriffen der KI. Dieses ist jedoch erst nach Scannen eines QR-Codes sichtbar, was eine zusätzliche Barriere darstellt, gerade für jene Meschen, die wenig technikversiert sind. Die einzelnen Exponate verwenden Technologien und Anwendungen der KI, die nicht weiter erläutert werden und oft auch nur entfernt wirklich mit KI zu tun haben. Dazu kommt die häufig anthropomorphisierte Darstellung von KI in den einzelnen Werken.
Das Potenzial, einen eingehenderen Blick auf künstliche Intelligenz zu eröffnen und neue Impulse für den Diskurs beizusteuern, bleibt ungenutzt. KI wird weiter als die undurchschaubare, undefinierbare "black box" wahrgenommen, die irgendwie mit dem Menschen zu tun hat und irgendwie eine Bedrohung darstellen könnte. Klassische Bilder und Narrative, wie Glasköpfe, in denen leuchtende Materie zu sehen ist oder weiblich gelesene, humanoide Roboter, wie sie die Ausstellung zeigen, untermalen diese verpasste Chance zusätzlich.