Wenn KI-Forschende in Live-Chats auf Schüler:innen treffen und von ihnen mit Fragen gelöchert werden, kann das nur eines bedeuten: die nächste Runde des Projekts I'm a Scientist, get me out of here steht an. Vom 25.09. – 29.09.2023 stellten sich 25 Wissenschaftler:innen in 24 Live Chats den Fragen von Schüler:innen aus ganz Deutschland zum Thema Künstliche Intelligenz.
I'm a Scientist ist ein Projekt, das seit 2020 in Kooperation von Wissenschaft im Dialog mit dem RHET AI Center durchgeführt wird. Mehrmals im Jahr finden Themenrunden statt, die den Austausch zwischen Forschenden und Schüler:innen ermöglichen. Über die Dauer der Themenrunden haben Schulklassen die Gelegenheit an 30-minütigen Live-Chats mit drei bis fünf Wissenschaftler:innen teilzunehmen und ihnen Fragen zum aktuellen Thema zu stellen. Im September lautete das Thema: "Künstliche Intelligenz". Die Forschenden beantworten die Fragen bestmöglich. Am Ende jeder Session können die Schüler:innen abstimmen, wer die besten Antworten gegeben hat. Abschließend wird zusammengerechnet, wer die Abstimmung für sich entscheiden konnte und sich über ein Preisgeld von 500 Euro freuen darf. Mit dem Preisgeld können eigene Projekte zur Wissenschaftskommunikation finanziert werden.
Soweit zum Konzept, doch wie läuft so ein Live-Chat eigentlich ab? Ich durfte am Chat des Marion-Dönhoff-Gymnasiums in Hamburg teilnehmen und mir das Ganze anschauen. Nach der Anmeldung über die Website von I'm a Scientist gelangt man in den jeweiligen Chatraum und kann unter einem Pseudonym Fragen eintippen und abschicken. Teilnehmende und Forschende sind jeweils durch unterschiedliche Farben im Chat gut voneinander zu unterscheiden.
An meinem Chat nimmt eine Projektgruppe des Gymnasiums mit Schüler:innen der Klassenstufen acht bis zwölf teil, begleitet von ihrer Lehrkraft. Ihren Fragen dürfen sich die vier Wissenschaftler:innen der Runde stellen:
- Christine Eilers, Doktorandin an der TU München im Bereich KI, Robotik und medizinische Bildgebung
- Tarek R. Bosold, Forscht für Sony in Barcelona an neuen KI-Anwendungen für die Unterhaltungs- und Kreativindustrie
- Konstantin Bake, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH Ingolstadt, der versucht Robotern beizubringen, wie sie den schnellsten Weg von A nach B finden können
- Daphne Theodorakooulos, Wissenschaftlerin am DFKI im Bereich Marine Perception, welcher sich mit KI-Lösungen für die Nachhaltigkeit auseinandersetzt.
Die Schüler:innen sind gut vorbereitet und haben eine Menge Fragen mitgebracht, die sie den Wissenschaftler:innen nach einer kurzen Vorstellungsrunde stellen. Neben allgemeineren Fragen zum Themenbereich KI, wie etwa:
"Wie funktionieren KIs?"
Christine Eilers:
"KIs analysieren viele Daten und lernen dadurch selber. Sie sind aus neuronalen Netzen aufgebaut in denen die Daten verarbeitet werden um dann einen Output zu generieren."
"Welche Limitierungen haben KIs eurer Meinung nach?"
Daphne Theodorakooulos:
" Sehr viele! Die meisten sind auf eine Aufgabe spezialisiert und können die besonders gut und alles andere nicht."
Stellen die Schüler:innen durchaus auch Fragen, die in die Tiefe gehen und an der wissenschaftlichen Praxis der Forschenden interessiert sind:
"Wo nutzt ihr KIs in der Wissenschaft?"
Daphne Theodorakooulos:
"Wir benutzen KIs z.B. zur Bilderkennung."
Christine Eilers:
"Ich nutze KIs um medizinische Bilddaten zu analysieren und so Ärzten bei Diagnosen zu helfen."
Konstantin Bake:
"Überall dort wo viel Daten verarbeitetet werden. Da KIs eine datengetriebene Wissenschaft ist."
Tarek R. Bosold:
"Ein Teil meines Teams arbeitet an neuen Werkzeugen für die Wissenschaft/für Wissenschaftler*innen – den Inhalt aus Artikeln extrahieren und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Publikationen finden, Daten aufbereiten und einfacher verständlich machen, aber auch Simulationen von physischen oder chemischen Prozessen."
"Wie geht ihr an die Entwicklung neuer KIs heran?"
Konstantin Bake:
"Ich schaue mir zunächst an, was es schon für Lösungen gibt und wende die vielversprechendsten auf mein Problem an. Dann nehme ich das Beste Model und versuche es zu verbessern und für mein Problem anzupassen."
Das große Interesse der Schüler:innen am Thema und der Expertise der Forschenden zeigt sich im Chat immer wieder, insbesondere bei Fragen die konkret und anwendungsbezogen sind:
"Ab wann ist es sinnvoll, Deep Learning statt klassischer Algorithmen zu verwenden?"
Tarek R. Bosold:
"Im Allgemeinen kann man das nicht sagen. Es stellt sich immer wieder heraus, dass schlaue Anwendung "klassischer" Algorithmen weniger Ressourcen braucht als ein Deep Learning-System mit vergleichbarer Leistung. In meinen Augen macht es nur Sinn, direkt – d.h., ohne größeres Nachdenken – auf Deep Learning zurückzugreifen, wenn man sehr viele Daten zur Verfügung hat, und Rechenpower (und ‑kosten) keine Rolle spielen."
"Wie baue ich eine KI-Anwendung am sinnvollsten auf?"
Christine Eilers:
"Du solltest dir zunächst überlegen, welche Aufgabe die KI übernehmen soll. Basierend darauf kannst du dann nach dem besten KI-Modell suchen und schauen, ob es öffentliche Datensätze für deine Anwendung gibt. Dann trainierst du die KI und machst von da aus weiter."
Nach 30 Minuten ist der Chat zu Ende und die Schüler:innen verabschieden sich mit einer Vielzahl neuer Erkenntnisse. Nun bleibt es ihnen noch offen, die Forschenden zu bewerten und auszusuchen, wer die hilfreichsten Antworten gegeben hat. Für diese Themenrunde von I'm a Scientist kann Lukas Wertz den Sieg und die 500€ Preisgeld mitnehmen. Für den Doktoranden am Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung der Universität Stuttgart war die Teilnahme an I'm a Scientist die erste Erfahrung in der Wissenschaftskommunikation.Sie hat ihm gezeigt, wie wichtig es ist, komplexe Sachverhalte verständlich und anschaulich zu vermitteln, damit sie verstanden werden können. Mit seinem Preisgeld möchte er ein Projekt finanzieren, das Kindern und Jugendlichen auf einfache Weise erklärt, wie das Internet funktioniert, um sie zu einem verantwortungsvolleren Umgang zu befähigen.
Die nächste Runde des Projekts hat bereits stattgefunden. Vom 06.12. bis 12.12.2023 drehte sich alles um das Thema Klima – Wandel, Krise, Lösungen. Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Anmeldung bereits früh geschlossen, die nächste Themenrunde wird aber nicht lange auf sich warten lassen, Infos dazu finden sich auf der Website von I'm a Scientist, sowie auf unserem Blog.