Den Auftakt der DGPuK Fachgruppentagung in Karlsruhe bildete eine interaktive Lesung und Podiumsdiskussion mit dem Autor Jörg Piringer, sowie weiteren Gäst:innen unter dem Titel „Schöne Neue Textwelt“. Im Herbst hatte eine ähnliche Veranstaltung bereits im Tübinger Epplehaus stattgefunden. Der Veranstaltungsort lag dieses Mal im Mathematikgebäude des KIT und war zu Beginn der Veranstaltung am 28.02.2024 um 19:30 bereits gut gefüllt.
Der Abend war für alle Interessierten offen und verfolgte das Ziel, das Publikum aktiv einzubeziehen und gemeinsam über die Dimensionen generativer KI nachzudenken. Medium hierfür war das Tool Mentimeter, mittels welchem die Zuschauenden immer wieder Fragen beantworten (und selber stellen), Assoziationen teilen und Meinungen kundgeben konnten.
Moderiert wurde die Veranstaltung vom Chefredakteur und Mitbegründer der Science Notes, Dr. Thomas Susanka, welcher direkt zu Beginn die Zuschauer:innen aufforderte, ihre Assoziationen zu generativer KI zu teilen. Mit diesen ersten Denkanstößen im Hinterkopf begann der Lesungsteil des Abends. Jörg Piringer las aus seinem Lyrik-Band „Günstige Intelligenz“, den er co-kreativ mit einer frühen Version von ChatGPT verfasst hatte. Piringer erwarb 2021 einen Frühzugang zur KI für nur 5.60€ und begann, mit dem Programm zu experimentieren. Er forderte ChatGPT unter anderem dazu auf, Wortlisten und Unsinnswörter auszugeben, aus denen er sich im Anschluss Gedichte generieren ließ.
Einige dieser Gedichte las er jeweils im Wechsel mit reflexiven Passagen über die co-kreative Arbeit mit ChatGPT vor. Innerhalb dieser Passagen stellte Piringer sich diverse Fragen, zum Beispiel welche Absicht die KI wohl verfolge? Wer sei nun eigentlich Autor:in der verfassten Texte? Und wie wird die Zukunft literarischer Intelligenzen aussehen?
Im Anschluss an die Lesung fand eine erneute Fragerunde an das Publikum statt, sowie das gemeinsame Verfassen eines Prompts für ChatGPT um zu evaluieren, welche Ergebnisse die KI ausgibt. So lautete der Publikums-Prompt: „Schreibe einen Nachruf auf eine Klimaanlage auf Badisch ohne das Wort Klimaanlage zu verwenden“. Das ausgegebene Ergebnis sorgte bei den Anwesenden durchaus für Erheiterung. Jedoch ließ sich beobachten, dass sowohl der badische Dialekt, als auch die Gattung des Nachrufes von der Künstlichen Intelligenz nicht gut umgesetzt werden konnten.
Auf den interaktiven Teil des Abends folgte eine Podiumsdiskussion, an der neben Jörg Piringer auch Prof. Annette Leßmöllmann, Professorin für Wissenschaftskommunikation mit Schwerpunkt Linguistik am KIT und Forschende am RHET AI Center und Prof. Jan Niehues, Leiter des Lehrstuhls „Künstliche Intelligenz für Sprachtechnologien“ am KIT teilnahmen.
Annette Leßmöllmann eröffnete die Diskussion mit der Beobachtung, dass generative KIs auch in die Wissenschaftskommunikation – vor allem in der redaktionellen Arbeit – Einzug gehalten haben und hier viel Reflexion über die Zukunft von Co-Kreativität im Wissenschaftsjournalismus geschieht. „Wir leben in einem ständigen Turing-Test“, hebt sie hervor, in dem geprüft werden müsse, welche Texte KI-generiert sein könnten und was aus menschlicher Feder stamme. Das habe Auswirkungen auf die Rezipient:innen und werde zur Ausprägung neuer Kulturtechniken führen.
In puncto Kreativität von Künstlichen Intelligenzen sprach sich Jan Niehues dafür aus, dass insbesondere nicht-kreative Texte, die vor allem formulistischer Natur seien, gut von ihnen verfasst werden können. So könne das Nutzen von generativen KIs in der Zukunft ein ähnliches Level erreichen, wie es das Googlen von Informationen heute hat, indem z.B. eine KI vorhandene Texte durchsucht und daraus neue Texte generiert.
Jörg Piringer sah den Fokus auf individuellen Vorlieben, Gefühlen und Einstellungen als zentrales Alleinstellungsmerkmal von Menschen an, die eng mit Kreativität verbunden sind. Während Künstliche Intelligenzen auf Breite, statt auf Individualität hinarbeiten, läge eine Besonderheit des kreativen Prozesses für ihn auch im bewussten und einzigartigen Auswählen bestimmter Textbausteine und Passagen, was menschliche Autor:innen im Schreibprozess (auch im co-kreativen) konstant tun.
Nach diesen ersten Statements wurde die Diskussion für Fragen aus dem Publikum geöffnet. Besonders interessierte die Anwesenden die Frage, ob KIs in der Zukunft eine Persönlichkeit bekommen werden, was Jan Niehues mit einem sehr wahrscheinlichen Nein beantwortete, da dies aktuell nur durch sehr gezieltes Prompten möglich sei. Annette Leßmöllmann ergänzte, dass es allerdings spannend sei zu beobachten, wie schnell wir Computer und Künstliche Intelligenzen anthropomorphisieren, also ihnen eine menschenähnliche Persönlichkeit zuschreiben.
Auch die juristische Frage nach dem Urheberrecht von co-generierten Texten kam bei den Anwesenden auf. Dieses liege seiner Meinung nach nicht bei der KI, sondern bei dem bedienenden Menschen, so Piringer. Dazu fügte er noch an, dass ChatGPT und weitere generative KIs mit den Daten und geistigem Eigentum zahlloser Künstler:innen trainiert wurden, ohne das diese jemals dafür entschädigt wurden.
Zum Abschluss wagte das Publikum einen Blick in die Zukunft und wollte wissen, wie die nächste Generation, welche bereits mit Künstlichen Intelligenzen aufwächst, diese wohl wahrnehmen werde? Jan Niehues war sich sicher, dass sie den Alltag genauso bestimmen werden, wie es die Verbreitung von Handys und Smartphones in vorherigen Generationen getan hat. Für die Arbeit etwa werden KIs hoch relevant sein. Zudem würde die Dichotomie zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz wegfallen, so Annette Leßmöllmann. Gegebenenfalls werde es sogar irgendwann notwendig sein, menschenproduzierte oder ‑geprüfte Texte als solche zu beglaubigen.
Im Anschluss an die Lesung startete die DGPuK Fachgruppentagung „Verstehen und Verständigung im digitalen Raum“ der Fachgruppe „Mediensprache – Mediendiskurse“. Einen Rückblick dazu finden Sie hier.