Anfang Oktober stehen für das RHET AI gleich zwei Tagungen an, eine in Kopenhagen, Dänemark und eine in Lund, Schweden. Bei der Rhetoric in Digital and Technological Transition-Konferenz in Kopenhagen werden Markus Gottschling und Salina Weber vom RHET AI Center einen Talk mit dem Titel Towards Rhetorical AI Literacy halten. Anschließend geht es für Markus Gottschling zur The Making of Humanities-Konferenz in Lund, wo er zusammen mit Fabian Erhardt (RHET AI) und Sara Bangert (Universität Tübingen) ein Panel zum Thema ‘Jagged lines of experience‘ as Sites of Epistemic Productivity in the Humanities vorstellt.
NKRF9: Rhetoric in Digital and Technological Transition (University of Copenhagen)
Die multimediale Online-Welt und ‑Kommunikation: In der heutigen Zeit nimmt Rhetorik durch die rasanten digitalen und technologischen Entwicklungen eine neue Form an, die neue Herausforderungen und Bestimmungen mit sich bringt. Von der Lehre über die Forschung zu praktischen Ratschlägen: Alles dreht sich rund um Algorithmen und KI, die die Kommunikation miteinander verändern. Die Rhetorik lebt aber auch von der analogen Kommunikation, für die Orte, Materialien und die tatsächliche physische Anwesenheit zentral sind. Wie können die analoge, klassische Seite der Rhetorik und die digitalen Entwicklungen in Einklang gebracht werden? Welche neuen Möglichkeiten tun sich auf, wie soll und muss sich das Feld der Rhetorik weiterentwickeln und welche neuen Forschungsfragen wirft dies auf?
In ihrem Beitrag Towards Rhetorical AI Literacy sprechen Markus Gottschling und Salina Weber über den unaufhaltsamen Aufstieg generativer KI, durch den es zunehmend wichtiger wird, KI-Kompetenzen zu erwerben – besonders für Forschende, Administrator:innen und Kommunikator:innen im akademischen Bereich. Da generative KI nur vorhandene Texte oder Bilder imitiert und "Bullshit" im Sinne von Harry G. Frankfurt produziert, kann ihr Einsatz in der Kommunikation sowohl positive als auch negative Folgen haben. Das RHET AI Center strebt an, durch Workshops eine rhetorische KI-Kompetenz zu vermitteln, die über technisches Verständnis hinausgeht und die Anwendung von KI in der Kommunikation durch klassische rhetorische Konzepte wie Doxa, Topoi und Imitatio verbessert.
Auf der Konferenz sprechen außerdem: Sine N. Just, Professorin am Lehrstuhl für Kommunikation und Geisteswissenschaft (Roskilde University, Denmark), Damien Pfister, Privatdozent, Lehrstuhl für Klassik (University of Maryland, USA) und Johanna Hartelius, Privatdozentin, Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft (Moody College of Communication, University of Texas at Austin, USA).
Sine N. Just vertritt die Meinung, dass digitale Technologien durch Personalisierung und Algorithmen die Polarisierung verstärken. Sie diagnostiziert die aktuelle Situation als ein "closing of the rhetorical mind" (Verengung des rhetorischen Denkens) und schlägt vor, klassische rhetorische Praktiken wie controversia wiederzubeleben, um öffentliche Debatten und Vertrauen zu fördern.
Damien Pfister spricht in seiner Keynote über den digitalen Wandel, in der sich die Rhetorik befindet und über daraus resultierende neue Theorien, die neue technologische und ökologischen Modelle hervorbringen. Diese untersuchen, wie digitale Technologien und nicht-menschliche Akteure unser Zusammenleben beeinflussen.
Johanna Hartelius betont, dass algorithmisches Denken und KI seit Ende 2022 ins öffentliche Interesse gerückt sind. In ihrer Keynote untersucht sie, wie Laien-Diskurse über Tools wie Midjourney deren "Lernprozesse" interpretieren und welche Auswirkungen dies auf das Konzept des Ethos und das Zusammenleben mit KI hat.
The Making of the Humanities (MoH) XI, Lund 2024 (Society for the History of the Humanities)
Die MoH-Konferenzen bringen Akademiker:innen und Historiker:innen zusammen, die sich für die Entwicklungen der Geschichte in Disziplinen wie Archäologie, Kunstgeschichte, Historiographie, Linguistik, Literaturwissenschaft, Medienwissenschaft, Musikwissenschaft und Philologie interessieren. Das Überthema dieses Jahres ist Shifting Cultures of Knowledge in the History of the Humanities (sich verschiebende Wissenskulturen in der Geschichte der Geisteswissenschaften). Im Vordergrund steht die Frage, ob es Zeit ist, die Geschichte der Geisteswissenschaften in Bezug zu anderen epistemischen Formaten neu zu denken. Während der dreitägigen Konferenz gibt es zwei Keynotes und etliche Panels.
Themen der Panels sind, beispielsweise, Complexity (Science) and the (History of) Humanities (Komplexität (Wissenschaft) und die (Geschichte der) Geisteswissenschaft), Purpose of History and Practices of Writing in the 19th Century (Zweck der Geschichte und Schreibpraktiken im 19. Jahrhundert), oder The Social Diaspora of Humanistic Knowledge (Die soziale Diaspora des humanistischen Wissens).
Das Panel ‘Jagged lines of experience‘ as Sites of Epistemic Productivity in the Humanities von Fabian Erhardt, Sara Bangert und Markus Gottschling behandelt das Konzept der "Bruchlinien der Erfahrung" nach Bernhard Waldenfels, das auf Risse und Unbestimmtheiten in der Erfahrung verweist, die gängige Ordnungen durchbrechen. In ihren Vorträgen untersuchen die drei dieses Thema anhand von Fällen wie dem Erhabenen bei Kant, epistemischen Begegnungen mit "dem Anderen" ("the significant otherness") bei Donna Haraway und der Fiktionalisierung in der Wissenschaftskommunikation, um die methodischen und theoretischen Ansätze der Geisteswissenschaften im Umgang mit solchen Erfahrungen zu verdeutlichen.
Wir sind schon sehr gespannt auf beide Konferenzen und freuen uns auf die Berichte unserer Kolleg:innen!