RHET AI auf dem Forum Wissenschaftskommunikation 2024 

Vom 11. bis 12. Dezem­ber 2024 war die Ura­nia Ber­lin Gast­ge­be­rin für das Forum Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on – die größ­te Fach­ta­gung zur Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on im deutsch­spra­chi­gen Raum. Seit der Pilot­ver­an­stal­tung im Jahr 2008 fin­det das Forum jähr­lich statt und hat sich seit­her zur zen­tra­len Platt­form für den Aus­tausch und die Wei­ter­ent­wick­lung der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on ent­wi­ckelt. Orga­ni­siert von Wis­sen­schaft im Dia­log stand die dies­jäh­ri­ge Tagung unter dem Leit­mo­tiv "Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on für eine star­ke Demo­kra­tie und offe­ne Gesell­schaft". Mit die­sem Fokus rück­te die Ver­an­stal­tung die zen­tra­le Rol­le der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on in der Stär­kung demo­kra­ti­scher Wer­te und gesell­schaft­li­cher Offen­heit in den Mittelpunkt. 

Auch das RHET AI Cen­ter war auf dem dies­jäh­ri­gen Forum Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on ver­tre­ten und brach­te ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven auf das The­ma Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on mit. Gleich fünf Mit­ar­bei­ten­de waren im Pro­gramm der Tagung ver­tre­ten: Annet­te Leßm­öll­mann war Teil des Panels "Leit­li­ni­en Rel­oa­ded – Wie sichern wir die Qua­li­tät der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on?". Anika Kai­ser und Patrick Klü­gel orga­ni­sier­ten mit wei­te­ren Wissenschaftler:innen der Uni­ver­si­tät Tübin­gen einen inter­ak­ti­ven Work­shop zum The­ma "Bürger*innenräte als Deliberations‑, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Poli­tik­be­ra­tungs­for­ma­te". Und auch Sali­na Weber und Mar­kus Gott­sch­ling hiel­ten einen inter­ak­ti­ven Work­shop mit dem Titel "Die Rhe­to­rik gene­ra­ti­ver KI"

Annette Leßmöllmann: Qualität in der Wissenschaftskommunikation neu denken 

Annet­te Leßm­öll­mann (mit­te) mit Andre­as Arch­ut (links), Haral Wil­ko­szew­ski (rechts) und Eli­sa­beth Hoff­mann (oben) beim Panel "Leit­li­ni­en Reloaded".

Im Rah­men des Panels "Leit­li­ni­en Rel­oa­ded – Wie sichern wir die Qua­li­tät der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on?" dis­ku­tier­te Prof. Dr. Annet­te Leßm­öll­mann mit Dr. Eli­sa­beth Hoff­mann (Uni­ver­si­tät zu Köln), Prof. Dr. Andre­as Arch­ut (Uni­ver­si­tät Bonn) und Dr. Harald Wil­ko­szew­ski (Insti­tu­te of Sci­ence and Tech­no­lo­gy Aus­tria) die kürz­lich aktua­li­sier­ten Leit­li­ni­en für gute Wis­sen­schafts-PR. Die­se Leit­li­ni­en, die erst­mals 2016 ver­öf­fent­licht wur­den, set­zen Stan­dards für eine trans­pa­ren­te, ehr­li­che und ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Kom­mu­ni­ka­ti­on in der Wis­sen­schaft. Die über­ar­bei­te­te Ver­si­on unter­lag einem Kon­sul­ta­ti­ons­pro­zess, der bis Janu­ar 2025 lief. In die­ser Pha­se konn­te die Com­mu­ni­ty auch Feed­back ein­brin­gen und die Leit­li­ni­en wei­ter mitgestalten. 

Ein zen­tra­ler Dis­kus­si­ons­punkt des Panels war, wie Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on auf tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen, ins­be­son­de­re Künst­li­che Intel­li­genz, reagie­ren soll­te. Es wur­de hin­ter­fragt, ob KI zur Erstel­lung von Pres­se­mit­tei­lun­gen und ande­ren For­ma­ten genutzt wer­den soll­te – und unter wel­chen Bedin­gun­gen. Dabei zeig­te sich, dass die Qua­li­tät der Kom­mu­ni­ka­ti­on nicht nur von der tech­ni­schen Raf­fi­nes­se der Werk­zeu­ge abhängt, son­dern auch davon, wie und nach wel­chen Kri­te­ri­en ihre Ergeb­nis­se bewer­tet wer­den. Beson­ders ent­schei­dend ist in die­sem Zusam­men­hang, ob und inwie­weit jour­na­lis­ti­sche und wis­sen­schafts­ethi­sche Stan­dards ein­ge­hal­ten wer­den. Doch wie müs­sen die­se Maß­stä­be fest­ge­legt sein, damit sich ver­hin­dern lässt, dass KI-gene­rier­te Inhal­te zum Bei­spiel Ver­zer­run­gen ent­hal­ten oder Fehl­in­for­ma­tio­nen verbreiten?

Ein wei­te­res The­ma war die Akzep­tanz und Wirk­sam­keit der Leit­li­ni­en in der Wis­sen­schafts-Com­mu­ni­ty: In wel­chem Umfang wer­den sie bis­her aner­kannt? Wel­che Struk­tu­ren müs­sen geschaf­fen wer­den, damit die über­ar­bei­te­te Ver­si­on in der Pra­xis Wir­kung entfaltet? 

Das Panel bot inter­es­san­te Ein­bli­cke in das Span­nungs­feld zwi­schen tech­no­lo­gi­schen Inno­va­tio­nen und eta­blier­ten Qua­li­täts­stan­dards in Bezug auf Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on und beson­ders auch in den Kon­sul­ta­ti­ons­pro­zess der Leit­li­ni­en für gute Wissenschafts-PR. 

Anika Kaiser & Patrick Klügel: Bürger:innenräte und die Begleitung von KI-Forschung  

Anika Kai­ser und Patrick Klü­gel mode­rier­ten gemein­sam mit Prof. Dr. Jes­si­ca Heesen, Dr. Mar­tin Hen­nig (bei­de IZWE Uni Tübin­gen) und Oli­ver Häuss­ler (Zen­trum für Medi­en­kom­pe­tenz Uni Tübin­gen) den inter­ak­ti­ven Work­shop "World Café: Bürger:innenräte als Deliberations‑, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Poli­tik­be­ra­tungs­for­ma­te", der Bürger:innenräte als inno­va­ti­ve For­ma­te der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on und poli­ti­schen Bera­tung beleuch­te­te. Aus­gangs­punkt war der Bürger:innenrat "KI und Frei­heit", den die Event Unit des RHET AI Cen­ters 2024 durch­ge­führt hat und der sich mit Optio­nen für gesell­schaft­li­che Beglei­tung von KI-For­schung aus­ein­an­der­setz­te. Die Work­shop-Teil­neh­men­den dis­ku­tier­ten anhand die­ses Pra­xis­bei­spiels ange­regt zen­tra­le Fra­gen wie die Ein­bin­dung vul­nerabler Ziel­grup­pen, den Umgang mit epis­te­mi­scher Unge­rech­tig­keit und die prak­ti­sche Umset­zung sol­cher For­ma­te in der Hochschulkommunikation. 

Nach einer kur­zen Ein­füh­rung in das Bei­spiel­pro­jekt Bürger:innenrat "KI und Frei­heit" ging es an die the­ma­tisch aus­ge­rich­te­ten Tische, an denen jeweils ein:e Workshopleiter:in die Dis­kus­si­on mode­rier­te. Patrick Klü­gel, der die Dis­kus­si­on zur Fra­ge "Wie ver­hin­dern wir Ent­täu­schung bei Par­ti­zi­pa­ti­on?" lei­te­te, resü­miert: "Das kri­ti­sche Feed­back aus der Dis­kus­si­on am Tisch 'Wie ver­hin­dern wir Ent­täu­schung bei Par­ti­zi­pa­ti­on' war klar: auf Rol­len­klä­rung und Erwar­tungs­ma­nage­ment ach­ten." Die­ser Punkt beton­te die Wich­tig­keit, die ver­schie­de­nen Inter­es­sen von Poli­tik, For­schung und Gesell­schaft trans­pa­rent zu machen, um Ent­täu­schun­gen bei Par­ti­zi­pa­ti­ons­for­ma­ten zu vermeiden. 

Patrick Klü­gel neben den zusam­men­ge­fass­ten Ergeb­nis­sen sei­nes The­men­ti­sches im World Café.
Anika Kai­ser vor den zusam­men­ge­fass­ten Ergeb­nis­sen ihres The­men­ti­sches im World Café.

Ein zen­tra­les Lear­ning aus den Dis­kus­sio­nen, die Anika Kai­ser zur Fra­ge "Was bewir­ken Epis­te­mi­sche Unge­rech­tig­kei­ten?" mode­rier­te, war für sie die Aus­ein­an­der­set­zung mit epis­te­mi­scher Unge­rech­tig­keit im World Café selbst. Eine Teil­neh­me­rin wies dar­auf hin, dass die Metho­de der Mode­ra­ti­on – das Auf­schrei­ben der Bei­trä­ge durch die Tisch­mo­de­ra­ti­on – dazu geführt hat­te, dass ein ihr wich­ti­ger Punkt nicht in die Ergeb­nis­zu­sam­men­fas­sung einfloss. 

Die­se Rück­mel­dung ver­deut­lich­te, wie bestimm­te For­ma­te und Metho­den den Ein­be­zug und Nicht­ein­be­zug von Wis­sen mit steu­ern kön­nen: "Wer hält den Stift? Wer spricht? Wer fasst zusam­men? Das alles kann sich dar­auf aus­wir­ken, wie epis­te­mi­sche Leis­tun­gen in einer Grup­pe ungleich ein­be­zo­gen und dar­auf­hin leicht­fer­tig als Grup­pen­er­geb­nis aus­ge­ge­ben wer­den", ord­net Anika Kai­ser die Rück­mel­dung der Teil­neh­me­rin ein und reflek­tiert auf die­ser Basis auch über epis­te­mi­sche Unge­rech­tig­keit: "Und den­noch wird es immer schwie­rig sein, jede denk­mög­li­che Exklu­si­ons­er­fah­rung zu anti­zi­pie­ren und vor­weg­zu­neh­men. Miran­da Fri­ckers Kon­zept der her­me­neu­ti­schen Unge­rech­tig­keit ver­weist gera­de dar­auf, dass wir es hier häu­fig mit Exklu­si­ons­er­fah­run­gen zu tun haben, die weder leicht zu arti­ku­lie­ren noch leicht zu ver­ste­hen sind. Des­halb ist es in mei­nen Augen immer wich­tig, neben einer metho­disch inklu­si­ven Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­ti­on auch eine Atmo­sphä­re zu schaf­fen, in der man sol­che Rück­mel­dun­gen unbe­fan­gen äußern kann – um dann agil dar­auf zu reagieren." 

Anika Kai­ser und Patrick Klü­gel emp­fan­den die Dis­kus­sio­nen des Work­shops ins­ge­samt als sehr enga­giert und berei­chernd. Sie boten wert­vol­le Impul­se für die Wei­ter­ent­wick­lung par­ti­zi­pa­ti­ver For­ma­te in der Wissenschaftskommunikation. 

Salina Weber & Markus Gottschling: Die Rhetorik generativer KI 

Sali­na Weber und Dr. Mar­kus Gott­sch­ling lei­te­ten einen inter­ak­ti­ven Work­shop mit dem Titel "Die Rhe­to­rik gene­ra­ti­ver KI", der die Schnitt­stel­len von Rhe­to­rik, Künst­li­cher Intel­li­genz und Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on beleuch­te­te. Im Mit­tel­punkt stand die Fra­ge, wie gene­ra­ti­ve KI-Werk­zeu­ge die Art und Wei­se ver­än­dern, wie wis­sen­schaft­li­che Inhal­te erstellt und ver­mit­telt wer­den – und wel­che Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen sich dar­aus für die Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on ergeben. 

Salina Weber und Markus Gottschling Foto aus dem Workshop
Sali­na Weber und Mar­kus Gott­sch­ling beim Work­shop "Die Rhe­to­rik gene­ra­ti­ver KI"

Der Work­shop war pra­xis­nah gestal­tet und führ­te die Teil­neh­men­den in sechs Schrit­ten zur rhe­to­ri­schen Kom­pe­tenz im Umgang mit KI. Dabei setz­ten sie sich kri­tisch mit den kom­mu­ni­ka­ti­ven Rah­men­be­din­gun­gen der Mensch-Maschi­ne-Inter­ak­ti­on aus­ein­an­der. Beson­ders inten­siv wur­de dar­über dis­ku­tiert, wie gene­ra­ti­ve KI nicht nur als Hilfs­mit­tel, son­dern als akti­ver Gestal­ter von Kom­mu­ni­ka­ti­on fun­giert – und wo kla­re Gren­zen gezo­gen wer­den soll­ten. Die Teil­neh­men­den erar­bei­te­ten, wie KI-gene­rier­te Inhal­te durch mensch­li­che Kon­tex­tua­li­sie­rung, ethi­sche Refle­xi­on und kri­ti­sche Ein­ord­nung sinn­voll ergänzt wer­den kön­nen

Durch den inter­ak­ti­ven Cha­rak­ter des Work­shops hat­ten die rund 50 Teil­neh­men­den die Mög­lich­keit, selbst mit KI-gestütz­ten Tools zu expe­ri­men­tie­ren und ihre Wir­kung auf ver­schie­de­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­ma­te zu tes­ten. Das kam gut an, wie Sali­na Weber betont: "Mein Ein­druck vom Work­shop war sehr posi­tiv! Es haben rund 50 Teil­neh­men­de mit­ge­macht. Wir haben den Work­shop sehr inter­ak­tiv gestal­tet, sodass die Teil­neh­men­den viel selbst aus­pro­bie­ren konn­ten, und dafür gab es posi­ti­ves Feed­back aus der Run­de. Alles in allem also wirk­lich gelun­gen, den­ke ich." 

Die Dis­kus­sio­nen mach­ten auch deut­lich, dass gene­ra­ti­ve KI zwar die Effi­zi­enz in der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on stei­gern kann, aber kein Ersatz für mensch­li­che Exper­ti­se und Refle­xi­ons­fä­hig­keit ist. Gera­de in Zei­ten zuneh­men­der Auto­ma­ti­sie­rung bleibt es ent­schei­dend, dass Wissenschaftskommunikator:innen die rhe­to­ri­schen Mecha­nis­men und Fall­stri­cke die­ser Tech­no­lo­gien ver­ste­hen, um KI-gestütz­te Inhal­te bewusst und ver­ant­wor­tungs­voll zu nutzen.