In Ihrer Masterarbeit hat die Rhetorikerin Maria Föttinger für das RHET AI Center untersucht, unter welchen Bedingungen Menschen Vertrauen zu Forschung im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) entwickeln und wie dieses Vertrauen mit Kommunikation zusammenhängt.
von Maria Föttinger
Seit seiner Gründung im Jahr 2016 ist der KI-Innovationscampus Cyber Valley immer wieder Grund für Proteste und kontrovers geführte Gespräche. Gleichzeitig birgt die Tübinger KI-Grundlagenforschung großes Potential. Vernünftige und vertrauensvoll geführte Dialoge können Reputation und Effektivität der Initiative begünstigen. Dabei ist es von großer Bedeutung, zu verstehen, wie Vertrauen und Kommunikation zusammenhängen und wie beispielsweise der Grundeinstellung einer Person zu KI diesen Zusammenhang beeinflussen kann.
Das Ziel meiner Arbeit lag also in der Beantwortung folgender Forschungsfragen: Wie lässt sich Vertrauen rhetorisch begreifen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Vertrauenswürdigkeit und kommunikativer Kompetenz? Einen Zusammenhang zwischen konkretem Wissen über das Cyber Valley, der Grundeinstellung zum Thema KI sowie dem generalisierten Vertrauen und der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit?
Um diese Forschungsfragen zu beantworten, habe ich auf Grundlage moderner Vertrauens- und Rhetorikliteratur sowie einer qualitativen Kurzanalyse von Pressetexten einen Fragebogen entwickelt und Hypothesen aufgestellt. Theoretischer Ausgangspunkt war das Modell der Vertrauensentstehung von Roger C. Mayer, James H. Davis und F. David Schoorman, welches die Dimensionen Expertise, Integrität und Wohlwollen erfasst, sowie das Ethos-Konstrukt des antiken Philosophen Aristoteles. Ethos, also Autorität oder Glaubwürdigkeit, setzt sich bei Aristoteles durch die Dimensionen Praktische Klugheit, moralische Integrität und Wohlwollen zusammen und fokussiert kommunikative Aspekte.
Daraufhin habe ich eine quantitative Studie zur aktuell wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Cyber Valleys mit n=488 Teilnehmenden durchgeführt. Die vorrangig über den Tübinger Universitäts-Mailverteiler erhobenen Proband:innen erhielten geschlossene Fragen auf einer fünfstufigen Skala. Beim Thema Vertrauenswürdigkeit wurden die Unterthemen Expertise, Integrität und Wohlwollen abgefragt. Daneben ging es auch um Kommunikative Kompetenz und die Grundeinstellung gegenüber Künstlicher Intelligenz sowie die Vertrauensbereitschaft der Studienteilnehmer:innen. Außerdem enthielt der Fragebogen einen Kurztest, in dem Aussagen zum Cyber Valley bezüglich ihrer Richtigkeit beantwortet wurden. Die Daten habe ich im Anschluss statisch analysiert, um die Güte des Bogens sowie der Hypothesen zu prüfen.
Abbildung 1: Streudiagramm zur Visualisierung der Korrelation zwischen wahrgenommener Kommunikativer Kompetenz (x‑Achse) und wahrgenommener Vertrauenswürdigkeit (y‑Achse)
Bei der Hypothesenprüfung ergab sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang (r = .745) zwischen den Mittelwerten der Kommunikativen Kompetenz und der Vertrauenswürdigkeit (siehe Abbildung 1). Zudem ergab sich ein zwar geringer, aber doch statistisch signifikanter Zusammenhang (r = .190) zwischen den Mittelwerten des generalisierten Vertrauens und der Vertrauenswürdigkeit. Auch zwischen der Summe der erzielten Punktzahl im Quiz zum Cyber Valley und der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit war ein statistisch signifikanter Zusammenhang erkennbar (r = .266). Ebenfalls signifikant war der Zusammenhang zwischen den Mittelwerten der Grundeinstellung zu KI und der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit. Der Wert der Pearson-Korrelation betrug hier r = .686.
Eine Erkenntnis aus dieser Analyse ist, dass das Vertrauen in das Cyber Valley direkt mit der wahrgenommenen Kommunikativen Kompetenz zusammenhängt. Daraus könnte man die Vermutung ableiten, dass Vertrauen zentral auch von kompetenter Kommunikation abhängig ist. Außerdem kann Misstrauen gegenüber dem Cyber Valley nur sehr begrenzt mit einem allgemeinen Misstrauen der einzelnen Studienteilnehmer:innen begründet werden. Es korreliert zudem das hier gemessene Vorwissen nur geringfügig mit der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Cyber Valley. Dies bedeutet nicht, dass strategisches Informieren und Aufklären zum Wissensaufbau nicht lohnend sind. Vielmehr kann die schwache Korrelation darauf hindeuten, dass die abgefragten Items im Wissenstest nicht relevant für die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit waren. Das Vertrauen der Studienteilnehmer:innen in das Cyber Valley, das hat die Untersuchung zeigen können, hängt am Ende auch damit zusammen, wie der gesamte Forschungsbereich KI wahrgenommen wird. Und hier gibt es sicherlich noch lohnende Arbeit für die Wissenschaftskommunikation.