Wir brauchen ein realistischeres Bild der Möglichkeiten und Grenzen von künstlicher Intelligenz

Jour­na­list-in-Resi­dence Julia Mer­lot gibt einen Über­blick über die zen­tra­len Hür­den beim Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz im medi­zi­ni­schen Bereich.

Wie kann KI hel­fen, zukünf­ti­ge Pan­de­mien bes­ser zu mana­gen? Drei Mona­te hat sich die SPIE­GEL-Jour­na­lis­tin Julia Mer­lot im Cyber Val­ley Öko­sys­tem dar­über mit KI-For­schen­den und Mediziner:innen unter­hal­ten. Her­aus­ge­kom­men ist ein Über­blick über die Hür­den beim Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz im medi­zi­ni­schen Bereich. Denn, so das Fazit der Cyber Val­ley Jour­na­list-in-Resi­dence: KI bie­tet sich für den Ein­satz im Pan­de­mie­ma­nage­ment noch nicht ohne Wei­te­res an, da muss es näm­lich in der Regel sehr schnell gehen. Koope­ra­ti­ons­pro­jek­te zwi­schen Machi­ne Lear­ning Expert:innen und Mediziner:innen auf­zu­set­zen, braucht aber genü­gend Per­so­nal und viel Zeit. Not­wen­di­ge Vor­aus­set­zun­gen wären außer­dem eine bes­se­re Daten­ver­füg­bar­keit und ein rea­lis­ti­sche­res Erwar­tungs­ma­nage­ment. Aus ihren Gesprä­chen hat sie eini­ge Emp­feh­lun­gen für das Feld zusammengefasst.

Daten­ver­füg­bar­keit verbessern

In Deutsch­land wer­den elek­tro­ni­sche Daten von Patient:innen sel­te­ner genutzt als in ande­ren euro­päi­schen Län­dern. Es fehlt eine über­grei­fen­de Stra­te­gie zum Daten­ma­nage­ment, um zum Bei­spiel gro­ße Men­gen Bild­da­ten für Mediziner:innen und KI-For­schen­de zugäng­lich zu machen. Zuver­läs­si­ge und robus­te Machi­ne-Lear­ning-Anwen­dun­gen müs­sen in der Regel mit gro­ßen Daten­sät­zen von guter Qua­li­tät trai­niert werden.

Das müss­te geschehen:

Stan­dar­di­sier­te Erfas­sung von medi­zi­ni­schen Befunden

Kon­se­quen­te Digi­ta­li­sie­rung der Befunde

Zen­tra­le daten­schutz­kon­for­me Samm­lung von Daten sowie Zugang für Forschende

Inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit fördern

Mediziner:innen und KI-Expert:innen haben noch zu weni­ge Kon­takt­punk­te und zu wenig inter­dis­zi­pli­nä­re Ein­bli­cke. Oft ist unklar, wel­che medi­zi­ni­schen Fra­gen sich eigent­lich mit­hil­fe von Machi­ne Lear­ning beant­wor­ten las­sen. Die weni­gen Leucht­turm-Pro­jek­te zei­gen, wie auf­wän­dig sol­che Koope­ra­tio­nen im Moment noch sind.

Das müss­te geschehen:

  • Lei­tungs­per­so­nal soll­te Zeit und Res­sour­cen einplanen
  • Kon­takt­punk­te und Anlauf­stel­len für For­schen­de und Mediziner:innen schaf­fen und institutionalisieren
  • Mehr Anrei­ze für Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät im Wissenschaftssystem

Erwar­tun­gen und Kom­mu­ni­ka­ti­on managen

Nicht nur die Öffent­lich­keit hat ein unkla­res Bild von künst­li­cher Intel­li­genz. Auch in der Medi­zin feh­len in der Aus­bil­dung und im Berufs­all­tag Berüh­rungs­punk­te. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit einem rea­lis­ti­schen Bild der Mög­lich­kei­ten und Gren­zen von KI ist eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Aufgabe.

Das müss­te geschehen:

  • Sinn­vol­le For­schungs­fra­gen von vor­ne­her­ein gemein­sam erarbeiten
  • Früh Qua­li­tät und Umfang geeig­ne­ter struk­tu­rier­ter Daten zur Beant­wor­tung prüfen
  • Ergeb­nis­se inter­pre­tie­ren und kri­tisch hinterfragen

Die rea­lis­ti­sche­re Dar­stel­lung von Risi­ken, Chan­cen und aktu­el­len, teil­wei­se sehr bana­len Hür­den beim Ein­satz von KI für medi­zi­ni­sche Anwen­dun­gen kön­ne hel­fen, eine Ein­ar­bei­tung in die ech­ten Her­aus­for­de­run­gen zu erleich­tern, schließt Julia Merlot.

Für Journalist:innen bie­tet genau dafür das Cyber Val­ley Jour­na­list-in-Resi­dence Pro­gramm den nöti­gen Frei­raum. Die nächs­te Aus­schrei­bung für 2023 star­tet Ende Oktober