Diese Woche sind Dr. Bruno Gransche vom KITKarlsruhe und Dr. Markus Gottschling von RHET AI Center am Artificial Friday zu hören. Das Kolloquium findet am Freitag von 14 bis 16 Uhr statt.
Der Vortrag von Dr. Bruno Gransche beschäftigt sich mit metaphorischem Handeln über und mit KI, während Dr. Markus Gottschling über Transformer-Rhetorik rund um Künstliche Intelligenz spricht.
Die Anmeldung erfolgt per E‑Mail an anna-marie.koehler@Uni-tuebingen.de.
"KI ist weder künstlich noch intelligent" (Kate Crawford, The Guardian, 2021) Crawfords Feststellung ist korrekt und dennoch macht die Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ ungehindert eine aktuelle Karriere in Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Was bedeutet KI dann aber?
Was das Phänomen KI ist, für wen und wann, ist bedingt durch unser jeweiliges Verständnis davon und dieses wiederum ist vor allem metaphorisch bestimmt, was sich u.a. mit Nietzsche, Blumenberg und Lakoff zeigen lässt. Wir versuchen das neue Konzept KI qua Übertragung aus etablierten Konzepten zu verstehen. Verstehen orientiert Handeln und Metaphern orientieren Verstehen. Aber die metaphorische Bedeutungsübertragung muss ihrerseits orientiert werden (implizit oder explizit), sie bedarf einer "intelligenten" Auswahl von (nicht) sinnvollerweise zu übertragenden Bedeutungsanteilen.
Wenn eine solche Orientierung verhindert wird, gelangen untaugliche Bedeutungselemente zum Übertragungsziel und verändern dessen Verständnis, was andere und ggf. untaugliche Handlungen orientiert.
Dies kann mit dem Begriff "Intelligenz" selbst gezeigt werden: Sie meinte die manuelle Sortierfähigkeit, zwischen normativ geschiedenen Teilen auszuwählen und die einen herauszulesen (lat. inter-legere, daher: Traubenlese). Dies wurde erst später übertragen auf kognitive Fähigkeiten wie die Auswahl von Buchstaben (Lesen) oder von tauglichen Handlungsalternativen (Entscheiden). Eine Rückübertragung auf Sortierfähigkeit (z.B. von Algorithmen) kann sinnvollerweise die unterscheidenden und herauslesenden Bedeutungselemente mitnehmen, jedoch nicht den Aspekt des Präferierens bestimmter Teile, der bei der menschlichen kognitiven Fähigkeit essenziell ist.
Das Problem ist nun: Es gibt keine wörtliche eigentliche Bedeutung, zu der für Orientierungsbedarfe Zuflucht genommen werden könnte, sondern immer nur verschiedene Gebrauchsweisen. Mit jeder Begriffswahl geht ein bestimmtes Bedeutungsgepäck einher und damit andere Verständnisse und andere Handlungsorientierungen. Dass die Bedeutungsübertragung von "Intelligenz" auf IT-Systeme zur adäquaten Orientierung von Handlungen im Umgang mit KI-Systemen überhaupt taugt, ist vor diesem Hintergrund hoch fraglich; was als adäquat oder tauglich zu bewerten wäre, hängt von den involvierten Interessen und strategischen Positionen ab, was es im Auge zu behalten gilt. Wie (in-)adäquat oder (un-)tauglich auch immer, die dominanten Gebrauchsweisen von KI bestimmen die Bedeutung und das Verstehen dieses Phänomens. Die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen müssen jedenfalls mit einem Bewusstsein dieser metaphorischen Gegebenheit kritisiert werden.
Generative KI-Tools besitzen ein erhebliches Potenzial für die Erstellung überzeugender textlicher und visueller Argumente. Die Arbeit mit generativer KI erscheint uns beinahe magisch, da sie auf Knopfdruck Texte schreiben, visuelle Stile imitieren, Berechnungen durchführen und Zusammenfassungen erstellen kann. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, könnte man das, was generative KI tut, allerdings – mit einem Fachbegriff des Philosophen Harry G. Frankfurt – als "Bullshitting" bezeichnen.
Die zugrundeliegenden Prozesse bei der Generierung von Bildern und Texten durch generative KI aus rhetorischer Sicht zu verstehen, ist für einen reflektierten Umgang mit den Werkzeugen unbedingt notwendig. Interessant ist dabei vor allem, dass die Prozesse der generativen KI parallel zur Produktion überzeugender Argumente zu verlaufen scheinen, wie sie in der rhetorischen Theorie gefasst sind. Generative KI-Werkzeuge können darum als rhetorische Maschinen verstanden werden, die imitativ und approximativ Zugang zu einem quasi unerschöpflichen Topos-Katalog zur Verfügung stellen – dadurch aber Dialogizität vorspielen.