Freitag, der 27. Oktober 2023. Eine kühle Garage in der Abenddämmerung – das swt-KulturWerk. In direkter Nachbarschaft fließt still und unscheinbar der Neckar. Eine einsame Gestalt eilt über die Straße auf das swt-KulturWerk zu und verschwindet darin. Doch plötzlich, kurz vor fünf Uhr nachmittags, endet die ruhige vorhalloweenliche Atmosphäre: Von überall her strömen Menschen herbei. Das swt-KulturWerk füllt sich mit einem zum Großteil jungen Publikum, das die IN-ML-OUT Ausstellung sehen will. Denn auch so kurz vor Halloween interessieren wir uns brennend für das Thema Windenergie und KI.
Die zentrale Leitfrage des Abends lautet: "Wie kann Künstliche Intelligenz dabei helfen, Windenergie in Zeiten des Klimawandels bestmöglich nutzbar zu machen?
Das gesamte Projekt ist durch eine Kooperation zwischen dem Tübinger Exzellenzcluster "Maschinelles Lernen: Neue Perspektiven für die Wissenschaft", der "Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart" und dem RHET AI Center entstanden. Die drei Abkürzungen im Titel der Ausstellung "IN", "ML" und "OUT" stehen daher für die jeweiligen miteinander verbundenen Exponate: Zu Beginn steht der Input, in der Mitte das maschinelle Lernen und am Ende der Output, oder kurz: IN-ML-OUT.
Inhaltlicher Ausgangspunkt des Projektes ist die Forschung von Nina Effenberger: Ihr Dissertationsprojekt im Rahmen der von Dr. Nicole Ludwig geleiteten Forschungsgruppe "Maschinelles Lernen in Nachhaltigen Energiesystemen" am Tübinger Exzellenzcluster "Maschinelles Lernen" geht der Frage nach, wie genau sich Windenergie und deren Nutzung durch den Klimawandel verändern – und wie moderne Algorithmen dazu beitragen können, langfristige Vorhersagen zu Windgeschwindigkeiten zu verbessern.
©Alina Habermann
es spricht Nina Effenberger
In Zeiten des Klimawandels und der Versorgungsunsicherheit mit fossilen Energieträgern wird es immer wichtiger, dass wir erneuerbare Energiequellen bestmöglich nutzen. Welche Herausforderungen damit verbunden sind und wie Künstliche Intelligenz dazu beitragen kann, sie zu meistern – das macht das interaktive Kunstexponat "IN-ML-OUT" am Beispiel der Windenergie greifbar. Die drei Designstudierenden Laura Neuscheler, Samuel Stober und Arne Sanwald entwickelten im stetigen Austausch mit den Forscherinnen sowie Michael Pelzer vom RHET AI Center über knapp ein halbes Jahr hinweg das Projekt.
Ab dem 16. November wird das Exponat auch im Tübinger Stadtmuseum zu sehen sein.
IN – Climate Change [dt. Klimawandel]: Wie beeinflusst unser Handeln das Klima – und warum ist es wichtig, dass Energiedaten für die Forschung zugänglich sind?
Wer kennt das nicht – man schaut morgens auf die Wetter-App und sie zeigt eine 50-prozentige Regenwahrscheinlichkeit an. Also nehmen wir einen Schirm mit, auch wenn die 50-prozentige Regenwahrscheinlichkeit nicht automatisch heißt, dass auch eine 50/50 Chance auf Regen besteht – stattdessen sagt die Wetter-App, dass es an der Hälfte der Tage, an denen die gleichen Witterungsbedingungen herrschten, regnete. Nina Effenberger und Dr. Nicole Ludwig sind der Meinung, dass mithilfe von KI genauere Wettervorhersagen möglich sind. KI kann mit solchen Prozentzahlen und den dahintersteckenden Daten viel mehr anfangen als wir Menschen; denn "KI kann überall da helfen, wo wir Daten haben, die wir als Mensch nicht mehr überblicken können", so Effenberger und Ludwig. Sie finden es wichtig, KI in die Wettervorhersagen mit einzubauen, um erneuerbare Energien die vom Wetter abhängig sind, wie die Windkraft, zu fördern. KI arbeitet in diesem Feld schneller und effektiver, ein Muss, um dem Klimawandel weiter entgegenzuwirken. Das Exponat IN zeigt das für den Menschen wüste Chaos verschiedener Luftströmungen und wie kleinste Veränderungen im Klima große Auswirkungen auf diese Luftströme haben.
Konzept und Design: Laura Neuscheler, mit Arne Sanwald und Samuel Stober
Wissenschaftliche Beratung: Nina Effenberger und Dr. Nicole Ludwig
ML – Machine Learning [dt. Maschinelles Lernen]: Wie kann Maschinelles Lernen dabei helfen, Windenergie in Zeiten des Klimawandels bestmöglich nutzbar zu machen?
Durch maschinelles Lernen können Prognosen effizienter und genauer werden – und genaue Klimaprognosen sind zentral für den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Aufgabe von KI ist es hier, Prognosen zu verfeinern, zu erhöhen und Zusammenhänge zwischen globalen Klimamodellen und lokalen Windenergiedaten besser zu verstehen. Das Mittelteil ML übersetzt die im ersten Teil des Exponats, "IN", erzeugten Luftströme in Daten und zeichnet diese auf.
Konzept und Design: Samuel Stober, mit Laura Neuscheler und Arne Sanwald
Wissenschaftliche Beratung: Nina Effenberger und Dr. Nicole Ludwig
OUT – Renewable Energy [dt. Erneuerbare Energien]: Wie haben sich die Windgeschwindigkeiten in den letzten Jahrzehnten verändert – und welche Inititiativen und Projekte zu erneuerbaren Energien gibt es bereits?
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Windgeschwindigkeiten und ‑strömungen weltweit stark verändert. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt. Stürme werden stärker und Windflauten dauern länger an als bisher. Um die Energiewende voranzutreiben, sind daher genaue Wettervorhersagen notwendig. Nur mit diesen Daten können neue Windkraftanlagen sinnvoll geplant werden. Liefern kann diese präzisen Vorhersagen aber nur KI. Sie kann die vielen unterschiedlichen Wetterdaten ausreichend schnell verarbeiten und sinnvoll interpretieren und so auch Aussagen für die unmittelbare Zukunft treffen. So zeigt das letzte Exponat eine Weltkarte und die dort eingezeichneten Windkraftanlagen. Per Knopfdruck können die Besucher:innen aus der Vergangenheit in die Gegenwart und dann mehrere Jahre in die Zukunft springen und beobachten, wie sich die Windströme verändern – und welche Windkraftanlagen diese Ströme dann auffangen und in Energie umsetzen können. Das Zusammenspiel der drei Exponate zeigt, wie mit KI der Ausbau neuer Windkraftanlagen effizient vorangetrieben und sichergestellt werden kann, sodass auch bei einer anhaltenden Flaute niemand in dunklen Häusern sitzen muss.
Konzept und Design: Arne Sanwald, mit Maximilian Hans
Wissenschaftliche Beratung: Nina Effenberger und Dr. Nicole Ludwig
©Alina Habermann
es spricht Michael Pelzer
Nach der Ausstellungseröffnung und Vorstellung der Exponate fand eine Podiumsdiskussion statt, die von Prof. Dr. Olaf Kramer moderiert. Die Teilnehmer:innen, Dr. Nicole Ludwig, Peter Seimer und Prof. Dr. Philipp Staudt, diskutierten miteinander darüber, wie KI die Energiewende unterstützen kann. Peter Seimer wies im Gespräch darauf hin, dass bei der Energiewende viel über Photovoltaikdächer und Windräder gesprochen, aber alles andere drum herum vergessen werde. Professor Staudt merkte mit Verweis auf das Schlagwort "Smart Grid" an, dass es schwierig sei, alle Anwendungen, die man darunter verstehe, zusammenzufassen. Zudem könnten wir Menschen all die Vorgänge, die sich im Stromnetz abspielen, aufgrund ihrer schieren Menge gar nicht erfassen – den Überblick könne nur die KI behalten. Nicole Ludwig griff diesen Gedanken auf und thematisierte die mangelnde Digitalisierung im Energiesystem – Peter Seimer hingegen sah die Digitalisierung noch gar nicht in Deutschland angekommen.
Nach dieser zum Nachdenken anregenden Podiumsdiskussion wurde mit dem Knallen einer Sektflasche das Buffett eröffnet. Die drei Ausstellungsprojekte locken die Besucher besonders durch ihre Interaktivität an. Es werden Häppchen verzehrt, Sekt getrunken und die Funktionen der Projekte ausprobiert. Ein gelungener Abend. …und Happy Halloween!🎃
Ab dem 16. November wird das Exponat auch im Tübinger Stadtmuseum zu sehen sein.