Ein Blick in die Forschungsaufenthalte von Anna Henschel & Willem de Haan (JIRs 2024)

Seit Grün­dung des RHET AI Cen­ters gehört das Jour­na­list-in-Resi­dence Pro­gramm (kurz JIR) fest zu unse­rem Jah­res­pro­gramm. Gemein­sam mit Cyber Val­ley ermög­li­chen wir Journalist:innen einen län­ge­ren For­schungs­auf­ent­halt bei uns in Tübin­gen, um an einem The­ma an der Schnitt­stel­le KI und Jour­na­lis­mus zu arbei­ten. Im Früh­jahr 2025 kön­nen sich inter­es­sier­te Journalist:innen erneut mit einem kon­kre­ten For­schungs­vor­ha­ben bewerben.

Wäh­rend ihrer Zeit in Tübin­gen und bei Cyber Val­ley haben die Journalist:innen die Mög­lich­keit, sich mit For­schen­den aus dem Bereich Künst­li­che Intel­li­genz aus­zu­tau­schen, Netz­wer­ke zu knüp­fen und vom Arbeits­um­feld sowie der Exper­ti­se im Cyber Val­ley und RHET AI zu pro­fi­tie­ren. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren konn­ten wir Prof. Chris­ti­na Elmer, Julia Mer­lot (bei­de SPIEGEL), Bet­ti­na Fried­rich (MDR), Tobi­as Asmuth (frei) und Ele­na Ried­lin­ger (WDR) als JIRs bei uns begrü­ßen, 2024 dann Wil­lem de Haan (MDR) und Dr. Anna Hen­schel (wissenschaftskommunikation.de).  

Doch was moti­viert Journalist:innen dazu, sich für meh­re­re Mona­te mit einem The­ma aus­ein­an­der­zu­set­zen und dafür nach Tübin­gen zu zie­hen? Wie läuft der Weg ins Pro­gramm ab und wie arbei­ten die Jour­na­lists-in-Resi­dence dann tat­säch­lich vor Ort? 

'Das fragt man doch am bes­ten die Journalist:innen selbst!', dach­ten wir uns und haben uns im Ver­lauf ihres Auf­ent­hal­tes eini­ge Male mit Anna Hen­schel und Wil­lem de Haan getroffen. 

Die Journalists-in-Residence 2024

Dr. Anna Henschel

Anna Hen­schel sieht die sprach­li­che Ver­mensch­li­chung von KI als gro­ße kom­mu­ni­ka­ti­ve Her­aus­for­de­rung, beson­ders durch bild­haf­te Spra­che. In ihrer Recher­che ging sie der Fra­ge nach, wel­che sprach­li­chen Alter­na­ti­ven es gibt.
"Es ist ein ver­ständ­li­cher Impuls, Künst­li­che Intel­li­genz zu ver­mensch­li­chen, wenn wir sie erklä­ren wol­len. Ich möch­te her­aus­fin­den, wie wir das The­ma KI jour­na­lis­tisch beglei­ten kön­nen, ohne Miss­ver­ständ­nis­se zu begünstigen."

Willem de Haan

Wil­lem de Haan hat zu KI-gestütz­tem Ziel­grup­pen­test­ing für jour­na­lis­ti­sche Inhal­te geforscht. Denn die Gewähr­leis­tung von Reich­wei­te und die Ori­en­tie­rung an Nut­zer­be­dürf­nis­sen wer­den im Jour­na­lis­mus immer wich­ti­ger.
"Kön­nen KI-gestütz­te Tools bei der Opti­mie­rung der Dis­tri­bu­ti­on unter­stüt­zen und wenn ja, in wel­chem Umfang?"

Beginn des Journalist-in-Residence Programm

Wil­lem, Anna, auch von Redak­ti­ons­sei­te: Herz­lich Will­kom­men am RHET AI! Als ers­tes wol­len wir von euch wis­sen: Wie habt ihr vom Pro­gramm gehört und war­um habt ihr euch bewor­ben? 

Anna Hen­schel: Durch mei­ne Arbeit und mei­ne Lin­ke­dIn-Bubble war mir das Jour­na­list-in-Resi­dence Pro­gramm ein Begriff. Auch von Ele­na Ried­lin­ger, mei­ner Vor­gän­ge­rin im Pro­gramm, hat­te ich davon gehört und habe dann beschlos­sen, mich mit mei­nem The­ma zu bewerben.

Als Redak­teu­rin bei Wissenschaftskommunikation.de habe ich in den letz­ten zwei Jah­ren beob­ach­tet, wie KI als The­ma in den Medi­en immer prä­sen­ter gewor­den ist. Auch in den Redak­tio­nen wur­de – vor allem nach dem Hype um ChatGPT – immer wie­der die Fra­ge gestellt, wel­che Ver­än­de­run­gen KI für das jour­na­lis­ti­sche Feld mit­bringt. Ver­misst habe ich dabei aber immer wie­der die Fra­ge danach, wie wir über KI berich­ten, vor allem, wel­che Rol­le die Spra­che dabei spielt.

Wil­lem de Haan: Anders als Anna hat­te ich bis vor drei Jah­ren nichts vom Pro­gramm gehört. Dann hat mir mei­ne Kol­le­gin Bet­ti­na Fried­rich davon erzählt, die vor zwei Jah­ren selbst JIR hier war. Das Pro­gramm hat mich von Anfang an sehr inter­es­siert und ich habe immer wie­der mit­ver­folgt und beob­ach­tet, was dazu ver­öf­fent­licht wird.

KI und Jour­na­lis­mus ist ein The­ma, mit dem ich mich in den letz­ten Jah­ren viel beschäf­tigt habe. Ich arbei­te beim MDR, zwar nicht mehr als Pro­gramm­schaf­fen­der, son­dern in der Pro­zess­be­glei­tung, ‑Ent­wick­lung und ‑Bera­tung und gehe dort vor allem der Fra­ge nach, wie wir als MDR und ARD die Ver­brei­tung unse­rer digi­ta­len Ange­bo­te ver­bes­sern kön­nen. Also wie es uns gelin­gen kann, die Inhal­te so zu gestal­ten und zu ver­brei­ten, dass sie auf die Bedar­fe unse­rer Nut­zen­den ziel­ge­rich­tet pas­sen. Dar­aus hat sich dann auch mei­ne For­schungs­fra­ge für das Pro­gramm am Cyber Val­ley erge­ben, näm­lich wie wir Jour­na­lis­ten KI nut­zen kön­nen, um die Reich­wei­te jour­na­lis­ti­scher Ange­bo­te zu stärken.

Check-in während des JIRs

Bisherige Erfahrungen

Jetzt seid ihr schon eine Zeit lang hier in Tübin­gen. Wie waren die ers­ten Wochen eurer Jour­na­list-in-Resi­dence Zeit? Und wie kön­nen wir uns euren Arbeits­all­tag hier vor­stel­len? 

AH: Zu Beginn wur­den wir direkt mit den rele­van­ten Schlüs­sel­per­so­nen inner­halb des Cyber Val­ley und des RHET AI ver­netzt. Prak­tisch habe ich vie­le Hin­ter­grund­ge­sprä­che zu mei­nen The­men geführt, durf­te aber auch eini­ge Fach­ta­gun­gen und Kon­fe­ren­zen besu­chen und mich mit den For­schen­den dort aus­tau­schen. Dar­über hin­aus habe ich auch ein­fach viel gele­sen, mich in das For­schungs­feld ein­ge­ar­bei­tet und ganz klas­sisch recher­chiert. Die Inhal­te auf­zu­be­rei­ten und bei ver­schie­de­nen Gele­gen­hei­ten zu prä­sen­tie­ren gehört dann auch noch zu mei­nem Arbeits­all­tag hier. Wil­lem, du hast das mal so schön gesagt: Man hat hier die Zeit, sich wirk­lich tief­grün­dig mit einer hoch­re­le­van­ten Fra­ge zu beschäf­ti­gen, für die sonst im Medi­en­all­tag zu wenig Raum wäre und die dort schlicht­weg untergeht.

WdH: Dem kann ich nichts hin­zu­fü­gen, genau so war und ist es auch für mich. Was ich dar­über hin­aus als gro­ße Berei­che­rung erle­be, ist, dass wir bei­de gemein­sam und zur glei­chen Zeit als JIRs hier sind. Ich durf­te auf jeden Fall schon vie­le wert­vol­le Gedan­ken aus dem Aus­tausch mit Anna mit­neh­men und die­ses Gegen­sei­tig-Impul­se-Geben ist auf jeden Fall sehr bereichernd.

Man erfährt im Aus­tausch mit den For­schen­den auch, was alles schon im Bereich der Künst­li­chen Intel­li­genz pas­siert, und dar­aus erge­ben sich immer wie­der neue Impul­se und Kon­tak­te, auch mit Kolleg:innen aus dem Jour­na­lis­mus oder Praxisanwender:innen. Ich fand es auch sehr span­nend zu sehen, dass hier vie­le unter­schied­li­che Dis­zi­pli­nen KI in ihre bestehen­den Struk­tu­ren inte­grie­ren und es nicht nur etwa auf ML redu­ziert ist. Aus die­ser brei­ten Per­spek­ti­ve erge­ben sich auch span­nen­de Syn­er­gie­ef­fek­te. Des­halb fin­de ich es auch wich­tig, wirk­lich vor Ort in Tübin­gen zu sein.

Forschungsprojekt Anna Henschel

Ihr arbei­tet ja an unter­schied­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen. Wir wür­den uns freu­en, wenn ihr uns ein biss­chen tie­fer in euren jewei­li­gen Arbeits­pro­zess mit hineinnehmt.

Star­ten wir mit dir, Anna. Du beschäf­tigst dich mit der Fra­ge, wie die Ver­mensch­li­chung von Künst­li­cher Intel­li­genz in der öffent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­mie­den wer­den kann und wel­che Rol­le Meta­phern dabei spie­len. Was ist gemeint, wenn wir von Ver­mensch­li­chung spre­chen und wel­che Sprach­mus­ter tre­ten dabei auf? 

AH: Ver­mensch­li­chung bedeu­tet, dass Objek­ten mensch­li­che Emo­tio­nen, Fähig­kei­ten und Inten­tio­nen zuge­schrie­ben wer­den. In der Fach­spra­che sagt man dazu "Anthro­po­mor­phis­mus". Das kön­nen wir zum Bei­spiel bei ChatGPT gut beob­ach­ten, wenn wir For­mu­lie­run­gen nut­zen wie: "ChatGPT sagt" oder "ChatGPT denkt". Inter­es­san­ter­wei­se pas­siert die­se Ver­mensch­li­chung nicht nur bei Lai:innen, son­dern es ist auch die Fach­spra­che, die ver­mensch­licht. Also zum Bei­spiel Machi­ne Lear­ning, oder natür­lich der Begriff Künst­li­che Intel­li­genz.  

Wenn also schon die Fach­spra­che ver­mensch­licht, ist es kein Wun­der, dass die Medi­en das auf­grei­fen. Das setzt sich dann in den Meta­phern fort, mit denen wir KI beschrei­ben. Es ist wirk­lich span­nend zu beob­ach­ten: Wenn man bei­spiels­wei­se For­schen­de bit­tet, einen Pro­zess wie etwa "Rein­force­ment Lear­ning" zu erklä­ren, dann begin­nen sie stets mit so etwas wie: "Das kann man sich vor­stel­len wie ein Kind, das…" Wenn man sie fragt, war­um sie die­se Ver­mensch­li­chung vor­ge­nom­men haben, kommt oft die Ant­wort: "Oh, ich woll­te gar nicht anthro­po­mor­phi­sie­ren." Aber irgend­wie ist das so tief in unse­rem Sprach­ge­brauch ver­an­kert, dass wir uns nur sehr schwer davon lösen können.

War­um ist Ver­mensch­li­chung denn ein pro­ble­ma­ti­sches Phänomen?

AH: Ich wür­de nicht sagen, dass es immer pro­ble­ma­tisch ist. Es ist pro­ble­ma­tisch, wenn man nicht dar­über reflek­tiert, was die­ses sprach­li­che Bild mit­trans­por­tiert. Es gibt sicher­lich Sze­na­ri­en, in denen es ange­bracht ist und auch in den rich­ti­gen Kon­text gerückt wird. Aber meis­tens pas­siert das nicht und das hat auf jeden Fall Effek­te. Auch dazu gibt es mitt­ler­wei­le For­schung, dass bei­spiels­wei­se Politiker:innen und Stakeholder:innen Ent­schei­dun­gen in eine spe­zi­fi­sche Rich­tung tref­fen, wenn Expert:innen mit ihnen über KI kom­mu­ni­zie­ren und zum Bei­spiel mensch­li­che Meta­phern nutzen.

Wenn du dei­ne Recher­che jetzt betrach­test, wel­che Lösungs­an­sät­ze siehst du für dei­ne For­schungs­fra­ge? Wo und von wem kön­nen sie kon­kret umge­setzt werden?

AH: An die Journalist:innen gerich­tet: Man könn­te in Inter­views mit Expert:innen Vor­schlä­ge für Erklä­run­gen zu KI-The­men machen und ihr Feed­back dazu ein­ho­len. Zudem gibt es ein paar Check­lis­ten zur bes­se­ren Bericht­erstat­tung über KI. Die könn­te man noch wei­ter zir­ku­lie­ren und viel­leicht auch kri­tisch besprechen.

Wel­che Auf­ga­ben siehst du bei der Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on und auch dem Wis­sen­schafts­jour­na­lis­mus in die­sem Themenfeld?

AH: Wissenschaftskommunikator:innen sehe ich da beson­ders in der Ver­ant­wor­tung, weil sie als Brü­cke zwi­schen Gesell­schaft und For­schung fun­gie­ren. Es ist manch­mal schwie­rig, Kommunikator:innen und Journalist:innen zusam­men­zu­brin­gen. Ich den­ke aber, dass bei­de Sei­ten davon pro­fi­tie­ren kön­nen, sich aus­zu­tau­schen und zu über­le­gen, wie wir ver­trau­ens­voll und trans­pa­rent über KI spre­chen können.

Vie­len Dank für die Ein­bli­cke in dein JIR-Projekt.

Forschungsprojekt Willem de Haan

Wil­lem, du beschäf­tigst dich mit der Fra­ge, wie Journalist:innen KI nut­zen kön­nen, um die Reich­wei­te jour­na­lis­ti­scher Ange­bo­te zu stär­ken. Was kön­nen wir uns denn kon­kret dar­un­ter vorstellen?

WdH: Ganz grund­sätz­lich geht es in mei­ner Recher­che dar­um, wie wir es als Medi­en­an­bie­ter schaf­fen kön­nen, unse­re Inhal­te einer­seits so zu gestal­ten und ande­rer­seits zu ver­brei­ten, dass wir die wirk­li­chen Bedar­fe der Medi­en­nut­zen­den adres­sie­ren. Dazu gehört auch die Fra­ge, wo die adres­sier­ten Nut­zen­den Medi­en kon­su­mie­ren, in wel­cher Situa­ti­on und wie? Der Pro­zess, die­se Fra­gen zu beant­wor­ten, ist sehr res­sour­cen­auf­wän­dig und kommt zum nor­ma­len jour­na­lis­ti­schen Geschäft noch dazu, des­halb ist das in den letz­ten Jah­ren auch oft viel zu wenig beleuch­tet worden.

Davon aus­ge­hend habe ich mich gefragt, inwie­fern wir Künst­li­che Intel­li­genz und Sprach­mo­del­le nut­zen kön­nen, um die­se Auf­ga­ben im Bereich Dis­tri­bu­ti­on zu über­neh­men und so res­sour­cen­ef­fi­zi­en­ter zu arbei­ten. Es geht dabei nicht um das Erset­zen von Journalist:innen, son­dern dar­um, deren Arbeit klug zu ergän­zen mehr Raum zu schaf­fen für die eigent­li­che jour­na­lis­ti­sche Arbeit und vor allem für die krea­ti­ve Arbeit des Berufs.

Wenn du jetzt mit dei­ner Recher­che im Hin­ter­kopf auf das The­ma blickst: Wel­che Mög­lich­kei­ten und Ansät­ze siehst du dafür? Und noch grö­ßer gefragt: Wo siehst du die Mög­lich­keit der Anwen­dung von KI-Tools im Jour­na­lis­mus in den nächs­ten fünf bis zehn Jahren?

WdH: Ich sehe in allen Pro­zess­schrit­ten der jour­na­lis­ti­schen Arbeit die Mög­lich­keit, KI-Tools anzu­wen­den. Die Zeit, die wir dadurch gewin­nen, kön­nen wir als Journalist:innen dann wie­der­um in qua­li­ta­ti­ve Pro­zes­se inves­tie­ren. Wenn ich spe­zi­ell mei­nen Arbeits­be­reich betrach­te, neh­me ich meh­re­re kon­kre­te Ansät­ze mit. Zum Bei­spiel etwa den Ein­satz von KI, um die Per­so­na­li­sie­rung von jour­na­lis­ti­schen Inhal­ten zu stär­ken, Inhal­te anzu­pas­sen oder schlicht­weg erst­mal zu erstellen.

Per­so­na­li­sie­rung bedeu­tet aber auch, für unter­schied­li­che Nut­zungs­ge­wohn­hei­ten Inhal­te in unter­schied­li­chen For­ma­ten anzu­bie­ten. Ein Ziel wäre, dass Ange­bo­te ent­ste­hen, die für alle offen und zugäng­lich sind und auch für ver­schie­de­ne Zugangs­ar­ten ver­schie­de­ne Vari­an­ten anbie­ten. Auch dabei kann die Anwen­dung von Sprach­mo­del­len unse­re Arbeit unterstützen.

Aus dei­nen Ant­wor­ten höre ich her­aus, dass eine Form von Co-Krea­ti­vi­tät im Jour­na­lis­mus in der Zukunft unum­gäng­lich sein wird. Wo siehst du Chan­cen und Schwie­rig­kei­ten dabei?

WdH: Chan­cen sehe ich eini­ge und zwei davon möch­te ich ganz deut­lich benen­nen. Das ist zum einen die gro­ße Her­aus­for­de­rung, mehr Sicht­bar­keit und Auf­merk­sam­keit für unse­re öffent­lich-recht­li­chen Inhal­te zu bekom­men. Dabei geht es auch um das Errei­chen der Nut­zen­den. Das ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung, der wir aber begeg­nen kön­nen, indem wir uns inten­siv mit den Men­schen, die wir adres­sie­ren, beschäf­ti­gen. Und das tun wir auch, aber eben nicht inten­siv genug, weil das im Regel­be­trieb lei­der unter­geht. Das liegt unter ande­rem an einer Dop­pel­be­las­tung, die dadurch ent­steht, dass wir das linea­re Pro­gramm wei­ter­füh­ren müs­sen und gleich­zei­tig die Anfor­de­rung besteht, uns im digi­ta­len Raum wei­ter zu ent­wi­ckeln. Dafür sind nicht genug Res­sour­cen vor­han­den und des­halb gelingt es uns auch noch nicht gut genug im digi­ta­len Raum, dort wo die jun­gen Nutzer:innengruppen unter­wegs sind, zu agieren.

Wenn wir hier KI nut­zen, kön­nen wir gleich zwei Flie­gen mit einer Klap­pe schla­gen. Zum einen schaf­fen wir die Anpas­sung unse­rer Inhal­te an die Bedürf­nis­se der Men­schen bes­ser. Zum ande­ren wer­den dadurch Res­sour­cen frei, die wie­der­um in krea­ti­ve Pro­zes­se inves­tiert wer­den kön­nen, die momen­tan zu kurz kom­men. Wir kön­nen also ins­ge­samt durch Inte­gra­ti­on von KI-Tools in den jour­na­lis­ti­schen Arbeits­pro­zess Journalist:innen ent­las­ten und die Qua­li­tät unse­rer Ange­bo­te erhöhen.

Ein Risi­ko besteht im unkri­ti­schen Ein­satz von Sprach­mo­del­len in den Pro­zes­sen. Das ist aller­dings kein Jour­na­lis­mus-spe­zi­fi­sches Pro­blem, son­dern in allen Anwen­dungs­be­rei­chen zu fin­den. Das ergibt sich, dass wir Sprach­mo­del­le nach dem Prin­zip "machi­ne in the midd­le" ein­set­zen müs­sen, also am Anfang und am Ende des Pro­zes­ses soll­te immer ein Mensch ein­ge­bun­den sein. So wird gewähr­leis­tet, dass Ergeb­nis­se immer kri­tisch über­prüft wer­den, damit sie den Erwar­tun­gen, jour­na­lis­ti­schen Richt­li­ni­en, und bei uns in der ARD auch der Ver­pflich­tung zum Gemein­wohl, gerecht wird.

Rückblick auf das Journalist-in-Residence Programm

Dan­ke euch bei­den für den Ein­blick in eure Recher­che! Wie blickt ihr auf eure Ergeb­nis­se und wie wer­det ihr damit jetzt wei­ter­ver­fah­ren?

AH: Ich bin sehr zufrie­den mit den Ergeb­nis­sen. Eine mei­ner wich­tigs­ten Erkennt­nis­se lässt sich leicht in die Pra­xis umset­zen: Es hilft enorm, sich genau anzu­schau­en, mit wel­cher Art von KI man es zu tun hat, und dann nach einer pas­sen­den, dif­fe­ren­zier­ten Meta­pher dafür zu suchen. Das führt auto­ma­tisch zu einem prä­zi­se­ren Den­ken und damit zu einer bes­se­ren Berichterstattung. 

Außer­dem habe ich aus den Gesprä­chen mit Expert:innen vie­le gute Ideen zur Wei­ter­ver­brei­tung mit­ge­nom­men. So habe ich zum Bei­spiel den Wiki­pe­dia-Ein­trag über KI um Infor­ma­tio­nen über Meta­phern ergänzt. Basie­rend auf mei­nen Erkennt­nis­sen habe ich auch Blatt­kri­ti­ken gemacht und Prä­sen­ta­tio­nen für Wissenschaftskommunikator:innen gegeben.

WdH: Ich bli­cke einer­seits zufrie­den und gleich­zei­tig auch kri­tisch auf mei­ne Recher­che­er­geb­nis­se. Ganz grund­sätz­lich neh­me ich die Emp­feh­lung an alle Journalist:innen mit, bei der Nut­zung von Sprach­mo­del­len die Bedürf­nis­se der Nut­zen­den immer wie­der mit­zu­den­ken, das erhöht die Wahr­schein­lich­keit, bes­se­re Ergeb­nis­se zu erzeu­gen. Im Spe­zi­el­len geht um es den Vor­gang der In-Con­text-Imper­so­na­ti­on, also der Über­ga­be einer defi­nier­ten Rol­le an ein Sprach­mo­dell, u. a. damit die Bedürf­nis­se einer adres­sier­ten Ziel­grup­pe berück­sich­tigt wer­den kön­nen. Das neh­me ich als beson­de­res Lear­ning mit und wer­de es für den Kreis mei­ner Kolleg:innen mit Details unter­set­zen und  kommunizieren.

Und über eure Recher­che­er­geb­nis­se hin­aus, wie schaut ihr jetzt gegen Ende eures Auf­ent­halts auf die Zeit hier als Jour­na­lists-in-Resi­dence zurück?

AH: Posi­tiv. Es war eine tol­le Erfah­rung, ich hat­te fast jeden Tag inter­es­san­te Gesprä­che mit For­schen­den. Für mich hat sich dar­aus eine kom­plet­te Wand­lung für mei­ne künf­ti­ge Bericht­erstat­tung über KI erge­ben: Ich habe eine viel grö­ße­re Sen­si­bi­li­tät für mei­ne Spra­che, Anthro­po­mor­phis­men und neh­me auch Ideen für wei­te­re Pro­jek­te mit. Jetzt freue ich mich aber erst­mal noch auf die letz­ten Wochen hier. Gera­de läuft noch mei­ne Umfra­ge, deren Ergeb­nis­se ich in mei­ner Abschluss­prä­sen­ta­ti­on vor­stel­len werde. 

WdH: Dem schlie­ße ich mich an. Ich schaue durch­weg posi­tiv auf die Zeit in Tübin­gen zurück. Ich habe viel über KI dazu­ge­lernt, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf mei­ne Fra­ge­stel­lung zur Stär­kung von Reich­wei­te jour­na­lis­ti­scher Ange­bo­te. Ich bin beein­druckt vom Kon­takt mit der gesam­mel­ten Exper­ti­se, die hier in Tübin­gen aus den ver­schie­dens­ten Dis­zi­pli­nen und Per­spek­ti­ven auf KI ver­tre­ten ist. Das war eine sehr inspi­rie­ren­de und akti­vie­ren­de Atmo­sphä­re hier und durch die Mög­lich­keit, sich zu fokus­sie­ren eine sehr wert­vol­le Zeit und Erfah­rung. Eine so kom­pak­te Stu­di­en­zeit, in der man die Gele­gen­heit hat, sich ohne Ablen­kun­gen in ein The­ma zu ver­tie­fen, ist, abge­se­hen von einem Stu­di­um, einmalig.

Das freut uns natür­lich sehr zu hören. Was nehmt ihr denn für euch an bedeu­ten­den Lear­nings aus der Zeit hier mit?

WdH: Eine sofor­ti­ge Erkennt­nis, die ich gewon­nen habe, als ich hier ankam war, dass Künst­li­che Intel­li­genz viel mehr ist als das, womit wir uns im All­tag oder auch im Kon­text unse­rer beruf­li­chen Auf­ga­ben beschäf­ti­gen. Auf den Jour­na­lis­mus bezo­gen neh­me ich mit, dass in der Dis­zi­plin zwar viel über den Ein­satz von KI gespro­chen wird, aber viel zu wenig dar­über, wie wir KI ein­set­zen kön­nen, um die Bedürf­nis­se unse­rer Nut­zen­den zu erfüllen.

Und zuletzt ist für mich die Erkennt­nis wich­tig, dass es für uns als Journalist:innen kei­ne Alter­na­ti­ve für den Ein­satz von KI in unse­rer Arbeit gibt, auch nicht aus Per­spek­ti­ve des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks. Nur wenn in die­sem Bereich aus­rei­chend inves­tiert wird, in Aus­bil­dung, Wis­sen, Anwen­dun­gen und Ange­bo­te, haben wir dau­er­haft die Chan­ce, erfolg­reich auf die Ver­wer­fun­gen zu reagie­ren, die sich durch die Digi­ta­li­sie­rung der Medi­en­land­schaft ergeben.

AH: Ein wich­ti­ges Lear­ning für mich war, dass die­se Fra­ge, wel­che Meta­phern geeig­net sind, um über KI zu spre­chen, nicht nur eine Fra­ge für den Jour­na­lis­mus ist. Denn egal, wel­cher Grup­pe von Men­schen ich das vor­ge­stellt habe, ob For­schen­den, Kommunikator:innen, Men­schen aus mei­nem Umfeld: Die Reak­ti­on war immer, dass es ein super span­nen­des The­ma ist, das die Men­schen auch direkt betrifft.

Fazit

Dan­ke euch fürs Tei­len. Dann bleibt zuletzt nur noch die Fra­ge nach eurem Fazit zum Pro­gramm und ob ihr es Kolleg:innen wei­ter­emp­feh­len würdet?

AH: Ich kann es jede:r Kolleg:in nur emp­feh­len. Es ist ein wert­vol­les Pro­gramm, in dem man sei­nen Fra­gen nach­ge­hen kann, die im Redak­ti­ons­all­tag zu kurz kom­men. Dafür bekommt man hier die Res­sour­cen und die Unter­stüt­zung und wird von allen Sei­ten herz­lich will­kom­men geheißen.

WdH: Ich stim­me Anna zu, ich wür­de es allen ans Herz legen. Es gibt, glau­be ich, kei­ne oder wenig bes­se­re Optio­nen, sich als Journalist:in tief­ge­hend mit dem The­ma KI zu beschäf­ti­gen als hier im Pro­gramm. Jede:r Journalist:in, der oder die sich Exper­ti­se im Feld der KI aneig­nen möch­te, soll­te über­le­gen, sich hier im Jour­na­list-in-Resi­dence Pro­gramm zu bewerben.

Anna Hen­schel und Wil­lem de Haan bei ihrer JIR-Pro­jekt­vor­stel­lung im Okto­ber 2024.

Vie­len Dank euch bei­den für eure tol­le Arbeit hier und dass ihr euch die Zeit genom­men habt, uns immer wie­der Ein­bli­cke zu gewäh­ren. Wir wün­schen euch alles Gute für die Zeit nach dem Pro­gramm und hof­fen, ihr könnt die Erkennt­nis­se aus Tübin­gen posi­tiv in euren eigent­li­chen Arbeits­all­tag mitnehmen.

Nach­trag: Anna Hen­schel hat ihre For­schungs­er­geb­nis­se und Erleb­nis­se in Tübin­gen in einem Arti­kel bei wissenschaftskommunikation.de fest­ge­hal­ten. Inter­es­sier­te fin­den den Arti­kel dort unter dem Titel "Das Pro­blem mit der Intel­li­genz".

Bewerbungen bis 24.04.25 möglich!

Bis zum 24. April 2025 läuft die dies­jäh­ri­ge Bewer­bungs­run­de für das Jour­na­list-in-Resi­dence Pro­gramm. Wenn Sie also Inter­es­se haben, 2025 bei uns am RHET AI und Cyber Val­ley als Journalist:in zu Gast zu sein, bewer­ben Sie sich gern. Alle Infor­ma­tio­nen dazu fin­den Sie hier.