KI-Tools im Test: Jenni.ai

In der "Deus Ex Machi­na? – KI-Tools im Test"-Reihe stel­len wir euch ver­schie­de­ne Tools vor, die mit­hil­fe von Künst­li­cher Intel­li­genz Schreib‑, Design- und Recher­che­pro­zes­se ver­ein­fa­chen sol­len. Mehr zur "Deus Ex Machina?"-Reihe gibt es hier.

Ein Bei­trag von Jour­na­list-in-Resi­dence Bet­ti­na Fried­rich und Anna Köh­ler

Im Überblick

"You Wri­te, Jen­ni Com­ple­tes" – das ist das Mot­to von Jenni.ai. Der KI-Schreibas­sis­tent hilft, schnel­ler und effi­zi­en­ter zu schrei­ben. Das Pro­gramm gene­riert wäh­rend des Schrei­bens Vor­schlä­ge, wie ein Text wei­ter­ge­hen könn­te und der Mensch hin­ter der Tas­ta­tur stimmt dem ent­we­der zu (dann gene­riert das Pro­gramm den nächs­ten Text­ab­satz) oder wider­spricht (dann schreibt das Pro­gramm einen neu­en Vorschlag).

Jenni.ai bie­tet fünf Funk­tio­nen: (1) Die Haupt­funk­ti­on ist die Text­ge­ne­rie­rung, genannt „AI Auto­com­ple­te“. (2) Dabei kann man zwi­schen ver­schie­de­ne Arten von Tex­ten (Essay, Blog­bei­trag, E‑Mail und Free­Flow) sowie zwi­schen ver­schie­de­nen Sti­len (freund­lich, pro­fes­sio­nell, aka­de­misch, über­zeu­gend, sach­lich) wäh­len. (3) Das Pro­gramm kann para­phra­sie­ren und umschrei­ben. (4) Eine Zitier­funk­ti­on mit der Opti­on, eige­ne Zita­te ein­zu­fü­gen oder Bele­ge von Jenni.ai fin­den zu las­sen, die dann in ver­schie­de­nen aka­de­mi­schen Zitier­sti­len (Har­vard, MLA 9 oder APA 7) im Text ver­merkt wer­den kön­nen. (5) Eine Pla­gi­ats­prü­fung für den selbst­ge­schrie­be­nen und den von Jenni.ai erstell­ten Text. Die­se ist aller­dings nur in der kos­ten­pflich­ti­gen Ver­si­on ent­hal­ten und wur­de daher nicht getes­tet. Das Log-In funk­tio­niert ent­we­der über das eige­ne Goog­le-Kon­to oder mit einer Email­adres­se. Ob das Pro­gramm Daten aus der Inter­ak­ti­on mit den Nutzer:innen aus­liest, wird nicht trans­pa­rent gemacht.

Bild 1: Screen­shot aus Jenni.ai. Gezeigt wird das Ein­stel­len der Text­pa­ra­me­ter (Con­tent Type, Con­tent Tone) vor dem Ver­fas­sen des Textes.

Die KI hinter der Anwendung

Das Unter­neh­men behaup­tet auf sei­ner Web­sei­te, dass Jenni.ai von Schrei­ben­den ver­schie­de­ner uni­ver­si­tä­rer Ein­rich­tun­gen (Cam­bridge, Har­vard, Aston, MIT) sowie von Meta und Goog­le genutzt wird. Laut eige­ner Aus­kunft ver­wen­det das Pro­gramm eine Kom­bi­na­ti­on aus GPT 4 sowie "benut­zer­de­fi­nier­ten Daten von jedem Nut­zer". Was genau sich dahin­ter ver­birgt, wird nicht erläu­tert. Auch der zugrun­de­lie­gen­de Source Code/Algorithmus wird nicht veröffentlicht.

Da Jenni.ai auf Basis des ChatGPT-Modells 4 arbei­tet, schlei­chen sich in die Benut­zung die glei­chen Feh­ler ein, die sich auch bei die­sen Tools fin­den. Gele­gent­lich erfin­det Jenni.ai Quel­len und Infor­ma­tio­nen und gibt die­se als wahr aus. In der aktu­el­len Ver­si­on wird außer­dem dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Jenni.ai zwar einen ein­ge­bau­ten Pla­gi­at­sche­cker hat, unter Umstän­den das Schreib­tool bereits exis­tie­ren­de Phra­sen generiert.

Das rhetorische Potenzial des Tools

Das Pro­gramm rich­tet sich an Per­so­nen, die anspruchs­vol­le und län­ge­re Tex­te pro­du­zie­ren wol­len. Dabei ist es ein­fach, das gewünsch­te Ergeb­nis zu bekom­men: Das Pro­gramm schreibt die ange­fan­ge­nen Tex­te ein­fach wei­ter. Die Auf­ga­be des Men­schen hin­ter dem Com­pu­ter besteht dar­in zu ent­schei­den, ob man eine Text­pas­sa­ge behal­ten will oder ob die KI einen neu­en Vor­schlag gene­rie­ren soll. Da Jenni.ai qua­si „von allein“ schreibt, kön­nen Schreib­blo­cka­den beho­ben werden.

Rhe­to­risch gese­hen ist Jenni.ai beson­ders in sei­ner Anpass­bar­keit an per­sön­li­che Sti­le und den Ton eines gewünsch­ten Tex­tes ande­ren Schreib­tools einen Schritt vor­aus. Auch dass die Schrei­ben­den aktiv in den Schaf­fens­pro­zess mit ein­be­zo­gen sind und in jeden Schritt der Text­ge­ne­rie­rung aktiv ein­grei­fen kön­nen, macht Jenni.ai zu einem der anpass­bars­ten KI-gestütz­ten Schreibas­sis­ten­ten. Tex­te klin­gen aus die­sen Grün­den zudem weni­ger gene­risch. Im Test fiel aller­dings auch auf, dass man Jenni.ai nicht nur neu­en Input geben kann, son­dern muss. Im Free Flow Modus bei­spiels­wei­se gab Jen­ni mehr­fach For­mu­lie­rungs­va­ria­tio­nen des glei­chen Inhalts aus, statt im Test-Essay aus der Ein­lei­tung auto­ma­tisch in den Haupt­teil zu wechseln:

"Ice vol­ca­noes have been a topic of inte­rest for sci­en­tists as they pro­vi­de valuable infor­ma­ti­on on the inter­nal struc­tu­re and com­po­si­ti­on of moons in our solar sys­tem."

"Addi­tio­nal­ly, we will explo­re the poten­ti­al impli­ca­ti­ons of ice vol­ca­noes for future space explo­ra­ti­on and our under­stan­ding of the ori­gin and evo­lu­ti­on of our solar sys­tem."

"In this essay, we will del­ve into the fasci­na­ting world of ice vol­ca­noes and explo­re their signi­fi­can­ce in under­stan­ding our uni­ver­se."

"Join us on a jour­ney of dis­co­very as we explo­re the wond­rous world of ice vol­ca­noes and unlock the secrets they hold about our uni­ver­se."

Die­se For­mu­lie­run­gen hat Jenni.ai in gerin­gen Abstän­den für den Test-Essay vor­ge­schla­gen. Die For­mu­lie­run­gen fol­gen zwar nicht direkt auf­ein­an­der, wie­der­ho­len sich aber alle zwei bis drei Sät­ze, wes­halb ein manu­el­les Ein­grei­fen in den Schreib­pro­zess unab­ding­bar ist. Einen kla­ren Auf­bau für einen Text lie­fert Jenni.ai also nicht auto­ma­tisch mit, die­ser muss manu­ell durch ent­spre­chen­de For­mu­lie­run­gen in die jewei­li­gen Tex­te ein­ge­bracht werden.

Eine wei­te­re Funk­ti­on von Jenni.ai ist, nicht nur aus dem Inter­net, son­dern auch aus wis­sen­schaft­li­chen Jour­nals zu zitie­ren. Das wie­der­um kann Infor­ma­tio­nen mehr Glaub­wür­dig­keit ver­lei­hen, da so die "Wis­sens­au­to­ri­tät" der Verfasser:innen der wis­sen­schaft­li­chen Bei­trä­ge aus den Jour­nals auf die mit Jenni.ai geschrie­be­nen Tex­te über­tra­gen wer­den kann. Wei­ter­hin bie­tet das Pro­gramm über die "AskJen­ni" Funk­ti­on, Abschnit­te für bestimm­te Per­so­nen­grup­pen zu para­phra­sie­ren (im Eigen­ver­such wur­de zum Bei­spiel "para­phra­sie­ren für Uni­ver­si­täts­stu­die­ren­de" als Opti­on vor­ge­schla­gen, also eine Anpas­sung des Tex­tes an den Wis­sens­stand von Stu­die­ren­den einer Hoch­schu­le, um so das Text­ver­ständ­nis zu för­dern), eine Zusam­men­fas­sung für einen Absatz zu schrei­ben oder auch ein Gegen­ar­gu­ment zu for­mu­lie­ren. Durch die For­mu­lie­rung von Gegen­ar­gu­men­ten kann ein The­ma so aus meh­re­ren Blick­win­keln betrach­tet wer­den und für die schrei­ben­de Per­son auch einen Hin­weis geben, wel­che Inhal­te kon­tro­vers wer­den kön­nen und daher mehr Auf­merk­sam­keit benötigen.

Einsatz in der Wissenschaftskommunikation

Ein gro­ßer Vor­teil für die Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­on ist die schnel­le Pro­duk­ti­on von Tex­ten und die ver­schie­de­nen Schreib­sti­le, die Jenni.ai anbie­tet. Vor der Nut­zung fragt das Pro­gramm, aus wel­cher Rol­le her­aus man schreibt – als Stu­dent, als Dok­to­ran­din oder als Jour­na­lis­tin zum Bei­spiel. Auch die Aus­wahl des „Con­tent Tone“ also dem sprach­li­chen Ton des aus­ge­ge­be­nen Tex­tes zwi­schen pro­fes­sio­nell, freund­lich, forsch, aka­de­misch und über­zeu­gend kann zur Per­so­na­li­sie­rung der Tex­te bei­tra­gen und Tex­te so an aus­ge­wähl­te Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­ma­te anpas­sen. Jenni.ai ist dabei beson­ders für text­las­ti­ge For­ma­te – zum Bei­spiel Wis­sen­schafts­blogs, Essays oder Zei­tungs­ar­ti­kel – eine Unter­stüt­zung und kann den Schreib­fluss för­dern. Auch dass Schrei­ben­de selbst ihre eige­nen Quel­len in das Tool ein­fü­gen kön­nen ist ins­be­son­de­re für Wissenschaftler:innen prak­tisch, die bereits Recher­che­ar­beit geleis­tet haben. Reviews des Pro­gramms spre­chen auch davon, dass Jenni.ai von sei­nen Nutzer:innen lernt und sich über die Zeit an den Schreib­stil der Schreiber:innen anpasst.

Wrap-Up

Auch Jenni.ai bleibt von Füll­phra­sen und stan­dar­di­sier­ten For­mu­lie­run­gen nicht ver­schont. Wäh­rend die­se Opti­on oft funk­tio­niert – man­che For­mu­lie­run­gen sind ja aus gutem Grund Stan­dard – gibt es Gele­gen­hei­ten, in denen schrei­be­ri­sche Krea­ti­vi­tät gefragt ist.

Ins­ge­samt ist Jenni.ai ein sehr prak­ti­sches Tool, das den Schreib­pro­zess aktiv und im Moment unter­stützt und durch­aus wirk­sam gegen Schreib­blo­cka­den hel­fen kann. Gleich­zei­tig bleibt die Not­wen­dig­keit, die pro­du­zier­ten Tex­te auf ihre Rich­tig­keit zu über­prü­fen. Da Jenni.ai auf Basis des ChatGPT-Modells 4 arbei­tet, schlei­chen sich in die Benut­zung die glei­chen Feh­ler ein, die sich auch bei die­sem Tool finden.